Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
kamen sogar Kunden, die statt Geld Informationen für die Ware boten.
»Wie immer kommst du gleich zur Sache. Informationen? Welcher Art?«
»Über den großen Prozess im vierten Jahr des Löwen.«, Theodus achtete trotz seiner rebellierenden Eingeweide und dem beginnenden Zittern seiner linke Hand auf Wagos’ Reaktion. Doch dieser wirkte nur verwundert.
»Im vierten Jahr des ... das ist doch über zwanzig Jahre ...«
«Über dreißig Jahre und du erinnerst dich bestimmt daran.«
»Was wird das hier, Theodus, das verspätete Kreuzverhör des großen Plikon oder eher ein letzter verzweifelter Versuch des Muschelohrs Theodus?«
»Deine Erbschaft ist eine Lüge und ich weiß davon.«
»Was hat das jetzt mit dem Prozess zu tun, alter Mann?«, Wagos hatte jetzt jede Freundlichkeit verloren und war wieder aufgestanden.
»Das weißt du ganz genau, du falscher ... Schreiber.« Das letzte Wort hatte der Magier ganz langsam ausgesprochen.
Jetzt schien der Rauschhändler zu begreifen, dass ihm Theodus auf die Schliche gekommen war.
»Du kommst hier her und beleidigst mich in meinem eigenen Haus ...«
»Welches du ohne Ankwin nie besessen hättest! Wie lief das damals genau? Sprich endlich!« Theodus wurde sichtlich nervöser. Sein ganzer linker Arm fing an zu zittern und seine Ohren wurden ganz heiß.
»Ankwin hat mich dafür bezahlt, dass ich ein Wort anders schreibe ... und?«
»Ankwin hat dich bestimmt gut bezahlt, aber für ein Gasthaus hätte das nie gereicht. Ankwin hatte ein großes Herz, doch dumm war er nicht.«
Wagos bewegte sich im Raum hin und her. Theodus wurde immer nervöser.
»Was heißt ‚Ankwin war’ ...? Dann ist er also tot. An was ist er denn gestorben?«
Theodus hätte sich ohrfeigen können. Ausgerechnet die Informationsquelle Nummer eins in Brakenburg wusste jetzt, das, was möglichst wenige wissen sollten. Er entschied sich für die Flucht nach vorne.
»Du hast nicht nur ein Wort anders geschrieben, nein, du hast auch alles verkauft, was dir an wertvollen Beweismitteln unter die Finger kam. Schwere goldene Kelche und Kerzenständer, sigolische Weingläser, Teppiche.«
Wagos setze plötzlich wieder einen versöhnlichen Gesichtsausdruck auf und öffnete langsam den Schrank. »Ich glaube, wir sollten uns erst einmal beruhigen. Komm, alter Freund, ich bereite uns einen Weinbrand und wir plaudern einwenig in entspannter Atmosphäre.«
Theodus musste zweimal trocken schlucken, als ihm von dem Schrank her der herrliche Geruch der grausamen Schalentiere entgegen wallte.
»Wenn du willst, gebe ich dir eine Muschel. Die geht aufs Haus. », als er sich umdrehte, hatte Wagos in jeder Hand eine silberne Muschelhälfte.
Theodus zuckte zusammen. Er durfte jetzt nicht nachlassen. Sein Unterkiefer malte, als er die Worte hervorpresste. »Was war das für eine Truhe?«
»Truhe?« Wagos bewegte sich langsam auf Theodus zu. »Ach ja, das Wort hieß übersetzt ja ‚Truhe‘. Es war eben eine Truhe. Was weiß ich.«
Theodus erhob sich. Die beiden Männer trennten nur ein oder zwei Handspannen.
»Was war das für eine Truhe?«, Theodus roch die Muscheln und brachte gerade noch genug Selbstbeherrschung auf, um einen kleinen, eigentlich unbedeutenden Gedankenzauber anzubringen. In Fachkreisen hieß er Plappermaul, das war zwar nicht sein offizieller Name, brachte seine Wirkung allerdings auf den Punkt.
»Die Truhe war sechs Fuß lang, drei Fuß hoch und überall mit einer sonderbaren Schrift bemalt, die ich damals nicht kannte und bis heute nirgends gesehen habe.« Der Bezauberte konnte zwar immer noch klar denken und nach seinem Willen handeln, doch musste er dem inneren Drang ständig zu reden folgen und am Besten über Dinge, die er gefragt wurde.
»Was für eine Schrift?«
»Ich habe sie nur dieses einmal gesehen, sonst nie wieder. Es waren lauter ineinandergreifende Linien, mehr Ornament als Schrift, ...«
»Schweig!«, Theodus stach der faulige Geruch der Muscheln in die Nase und die vielen Worte Maritmons verwirrten ihn. In seinen Ohren begann es zu pochen, als wollten sich seine Hörorgane den Muscheln entgegen strecken. Er fuchtelte mit der Hand, als wolle er die verwirrenden Gedanken vertreiben. Außerdem stand er kurz davor, eine Verbindung zu entdecken, das spürte er ganz deutlich.
Dabei hatte er allerdings gänzlich übersehen, dass er ein alter Mann und ein Muschelohr war, das mithilfe eines Kinderzaubers versuchte, aus seinem Rauschhändler Informationen herauszubekommen. Er war
Weitere Kostenlose Bücher