Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Nacht geht Schinder um,
geht nach Haus und schließt die Tür,
wer jetzt bleibt, bleibt immer hier.«
Ungläubig begannen sich die ersten Bauern zu bewegen, bis man schließlich begriff, was die Fremden wollten. Manch einer schimpfte aus der Masse heraus, dass er den ganzen Tag gearbeitet habe und nun einfach gehen solle. Ein anderer machte Anstalten, mit seiner Familie sogar zu bleiben, doch die meisten begannen, anfangs langsamer und dann immer schneller das Weite zu suchen.
Die Adligen mit ihrem Tross schienen, sich davon nicht angesprochen zu fühlen. Sie waren der Meinung, es geschehe etwas, das nur für das gemeine Volk nichts wäre, und fühlten sich mit ihren Soldaten sicher. Der ein oder andere Vasall machte zwar ein unsicheres Gesicht, doch sie blieben alle stehen.
Garock ignorierte sie. Ihm war das egal. Sie waren gewarnt worden. Bermeer allerdings konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen.
»Schön, dass die hohen Herren bleiben,
kann der Schinder ’s auch mit ihnen treiben.« Er lachte spitz.
Helmin war etwas weiter hinten gestanden. Sie hatte den ganzen Abend schon ein komisches Gefühl im Bauch gehabt. Die Bestattung Ankwins schien ihr nicht recht. Und Moakin hatte sich schon den ganzen Tag nicht mehr blicken lassen. Heute Morgen war er so verschlossen gewesen. Zuerst hatte sie geglaubt, er hätte irgendeine Bindung zu Ankwin aufgebaut und dann dessen Verlust nicht ganz verwunden, doch diesen Gedanken hatte sie wieder verworfen.
Jetzt, als der Gaukler und der Riese begannen, die Menschen auseinander zu treiben, machte sie sich ernste Sorgen, wie sie sich nur eine Mutter machen kann.
Fieberhaft suchte sie die Menschen um sich herum ab. Erst leise, dann immer lauter begann sie, seinen Namen zu rufen: »Moakin. Moakin! Moakin, wo bist du?«
In dem Stimmengewirr und Durcheinander, das jetzt anwuchs, ging ihre Stimme beinahe gänzlich unter, doch Lavielle schnappte den Namen einmal ganz deutlich auf, ehe das Rufen leiser wurde und schließlich im Lärm unterging. Sie versuchte immer noch, Theodus zu trösten und ein paar klare Worte aus ihm heraus zuholen.
Plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf und ließ ihr augenblicklich die Nackenhaare zu Berge stehen. Was, wenn Moakin noch einmal zurückgekommen war? Er war ein neugieriger Junge. Hrothekaarr würde ihm nichts getan haben, denn er kannte ihn. Die Truhe war unübersehbar in der Mitte der Hütte gestanden. Was wenn er ...?
Lavielle schüttelte Theodus an den Schultern. »Theodus, alter Freund, reißt dich zusammen. Waren Dracheneier in der Truhe? Ich glaube, dass die Eier nicht mehr darin sind. Wahrscheinlich hat ein Junge sie genommen!«
Theodus erwiderte Lavielles fragenden Blick wie durch einen Nebel. Nur die letzten Worte waren wirklich zu ihm durchgedrungen. Müde entgegnete er: »Glut und Blut, das Ei ist rot, kommt Drachenbrut, dann bist du tot.« Wie aus dem Nichts war ihm ein alter Kinderreim eingefallen, aus den Tagen, da er noch mit schmutzigem Gesicht, laufender Nase und aufgeschlagenen Knien durch die Gassen Brakenburgs gerannt war. Sonderbar selig starrte Theodus ins Leere, während vor seinem geistigen Auge Bilder aus seiner Kindheit vorbeizogen.
Lavielle blickte Theodus angsterfüllt ins Gesicht. Sie hatte ihn vor langer Zeit oft erlebt, wenn er vom Klang der Muscheln besinnungslos gewesen war, doch das war etwas anderes. Scheinbar begann Theodus, seinen Geist aufzugeben. Und da war noch etwas, dass sie spürte. Ihr alter Freund hatte trotz seiner Kraftlosigkeit eine Aura um sich, die sich sonderbar grün und kraftvoll anfühlte. Lavielle hatte so etwas noch nie gespürt.
Sie riss sich aus den Gedanken. Wenn also keine Dracheneier im Feuer waren, dann würde nichts passieren. Es wäre Glück im Unglück, wenn der Junge die Eier tatsächlich genommen hätte. Langsam richtete sie sich auf und blickte sorgenvoll zu dem lodernden Scheiterhaufen.
Die meisten Menschen hatten mittlerweile begriffen, dass irgendeine Gefahr droht, und hatten sich in Bewegung gesetzt. Die Adligen standen etwas dümmlich und beinahe trotzig da und warteten. Garock und Bermeer traten wieder an die Seite Lavielles.
»Wenn tatsächlich Dracheneier in der Truhe waren, dann ist es möglich, dass Moakin sie genommen hat.«, Lavielle ließ ihren Blick auf dem Scheiterhaufen ruhen.
»Glut und Blut, das Ei ist rot, kommt Drachenbrut, dann bist du tot.« Theodus hatte seinen Kinderreim wiederholt und lächelte abwesend.
Überrascht blickte ihn
Weitere Kostenlose Bücher