Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Welten. Lavielle, die große welterfahrene Heilerin, und Helmin, die kleine Kräuterfrau vom Dorf.
Wieder folgte ein längeres Schweigen. Helmins Mund wurde trocken und sie bekam einen Kloß im Hals. Sie fühlte sich auf einmal schrecklich dumm und klein, doch woher sollte sie etwas über einen Drachen wissen. Das schlimmste Tier, das sie jemals gesehen hatte, war ein tollwütiger Wolf gewesen. Den hatten die Männer damals mitten im Dorf erschlagen. Sie fühlte sich unwissend, ein Gefühl, das sie als Kräuterfrau so nie gekannt hatte, und das machte sie zornig.
Schließlich brach Helmin die Stille: »Es muss sehr wehgetan haben, was auch immer Ihr erlebt habt, doch dafür kann ich nichts. Ich spüre Euren Schmerz ganz deutlich. Mögt Ihr irgendwann den Frieden finden, den Ihr mir gestern bei seinem Tod brachtet.«
Sie stand auf und verließ den Raum. »Kümmert Ihr Euch jetzt um den Toten, ich muss mich um eine Geburt und um mein Haus kümmern, sonst steht Moakin am kalten Herd.«
Entschlossen nahm sich Helmin ihren Winterumhang und den Schal von der Wand und griff nach dem dürren Wanderstab in der Ecke. Als sie Lavielles braune Decke beiseiteschieben wollte, stockte sie, dann blieb sie vor der Türöffnung stehen und sprach etwas lauter über die Schulter: »Wenn Ihr mich brauchen solltet, einfach eine am Bach entlang Richtung osten. Das Dorf findet Ihr genau in der anderen Richtung. Der Schmied heißt Hanger ... wegen der Totenmaske meine ich ...«, dann trat sie vor die Hütte.
Als Lavielle alleine war, sank ihr der Kopf zwischen die Schultern. Sie bebte. Ein leises Schluchzen war zu hören.
Erwachen
(Brakenburg im Herbst)
Theodus hob den Kopf und begriff erst dann, dass er am Boden lag. Woher kam das Blut? Erschrocken riss er seinen rechten Arm vors Gesicht und betastete seinen Kopf. Schließlich fand der alte Mann den Grund für die Blutlache vor seinem Gesicht. Er hatte allem Anschein nach eine Platzwunde am Kopf. Seine Kehle war staubtrocken. Ächzend zog der Magier seine Beine an den Körper und richtete sich mühsam auf.
Nach einer für ihn nicht messbaren Zeitspanne stand er endlich aufrecht und blickt sich um. Theodus befand sich mitten in seinem Arbeitszimmer. Zu seinen Füßen hatte eine größere Pfütze aus Blut die umherliegenden Pergamente verklebt und aufgeweicht. Der Stuhl war umgefallen. Umständlich stellte er ihn wieder auf und ließ sich darauf nieder. Das restliche Zimmer sah aus wie sonst auch.
Das letzte schwache Licht des Tages sickerte durch die Fenster. Diesmal rebellierten seine Augen nicht, das Licht war schon zu schwach. Sein Körper schmerzte überall, in seinen Ohren dröhnte es noch immer. Er war wohl in seiner Verzückung vom Stuhl gefallen und wieder lange Zeit bewusstlos auf dem Boden gelegen. Auf dem Tisch lag noch die eine Hälfte der heiligen Muschel. Der Traum!
Zerrbilder des Hauses, des Brandes und der unzähligen Kinderleichen drängten sich in sein Bewusstsein. Ankwin war in dem Gebäude eingeschlossen.
Ankwin! Sein Letzter Wille. Augenblicklich kam ihm die letzte Bitte des alten Freundes wieder zu Bewusstsein. Warum verlangte Ankwin nur von ihm, einem alten Mann ohne Ruf, ohne Willen, ohne Kraft, einen solchen letzten Dienst? Er war schon längst über seinen Zenit hinaus, nur noch ein Schatten seiner selbst, ein abgewrackter Lehrmeister, dem es nicht einmal mehr gelang, irgendeine einfache Beschwörungsformel fehlerfrei oder gar vollständig auszusprechen.
Er würde Ankwin eben unter die Erde bringen, wie es sich dieser gewünscht hatte und damit wäre die Sache beendet. Warum sich überhaupt fragen, wie alles angefangen hat? Vorbei war vorbei. Es hatte keinen Sinn in der Vergangenheit zu wühlen. Er könnte sie doch nicht ändern. Er fühlte sich unendlich alt.
»Nicht ändern ... nein, nein ... nicht ändern ...«, mehr gebrabbelt als gesprochen verließen die Worte seine aufgesprungenen Lippen.
Aus einer mittlerweile sehr alten Gewohnheit heraus suchte Theodus die zweite Hälfte der Muschel. Er fand sie schließlich am Boden, wo sie zerbrochen und blutig neben den verklebten Pergamenten lag. Schon auf den ersten Blick fehlten ein ganzes Stück der Muschel.
Zitternd und forschend fuhr seine Hand an sein linkes Ohr. Dort steckten auch noch einige Splitter. Angewidert und zugleich entsetzt über den Verlust der Muschel zog er die Stücke einzeln mit spitzen Fingern heraus. Der letzte Splitter, den er spürte, saß besonders tief. Er entglitt seinen
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