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Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)

Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)

Titel: Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Mayer
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Hand, in der allerlei kleine Phiolen, Tonkrügchen, Säckchen und Kräuterbündel steckten. Alles war fein säuberlich beschriften, allerdings konnte Helmin nicht lesen. Ein paar der Kräuter erkannte sie. Die Phiolen faszinierten sie besonders. Das Einzige aus Glas, was sie kannte, war der Ritualkelch aus dem Dorftempel. In der Tasche steckten mindestens zehn dieser Fläschchen.
    Die Heilerin begann eine eingängige Melodie zu summen und träufelte, streute und schüttete verschiedene Zutaten in das heiße Wasser. Augenblicklich entfalteten die Ingredienzien ihr Aroma und mischten sich. Das Wasser wurde grün und schäumte leicht. Der Duft war stark aber nicht unangenehm.
    Lavielle sah Helmins fragende Blicke und sagte: »Damit erhalten wir seinen Körper für die Totenwache und weihen ihn der Unterwelt.«
    Die Kräuterfrau hatte bisher nur einfache Bestattungen erlebt. Die Toten waren in Tücher gewickelt und nach der Totenwache begraben worden. Aber die Totenwache hatte nie länger als einen Tag gedauert, so war es nie nötig gewesen, sich über den Geruch Gedanken zu machen.
    Schließlich schwenkte die Heilerin den Kessel vom Feuer und füllte das warme Wasser in eine Schüssel, die ihr Helmin gab.
    Ohne Hast, ja beinahe feierlich, betraten sie das Zimmer des Toten und entzündeten Kerzen. Lavielle stimmte wieder ein Lied an, das dem vom Vortag ähnelte, dann begannen die beiden Frauen, Ankwin zu entkleiden. Die Kleider wurden sofort verbrannt. Sie wuschen den Leichnam und trockneten ihn.
    Als sie damit fertig waren, verließ die Heilerin für einen kurzen Moment das Zimmer. Sofort fühlte sich Helmin wieder unwohl. Kurz bevor sie ebenfalls hinausgehen wollte, kam Lavielle wieder zurück.
    Sie hatte einen kleinen Tonkrug und einen Federkiel in der Hand. »Ich werde nun sein Leben auf seinen Körper schreiben. Ihr müsst mir alles erzählen, was Ihr von den letzten Jahren wisst.«
    Sie begann am Bauchnabel und schrieb kreisförmig darum herum. Helmin überlegte. Abgesehen von den unzähligen Versuchen, Ankwin näher kennen zulernen, fielen ihr eigentlich nur drei Erlebnisse ein.
    Das erste Mal, als sie Ankwin gesehen hatte, war er beim Winger in der Tür gestanden. Sie hatte Erledigungen zu machen und war die Dorfstraße entlang gegangen. Als sie näher kam, hatten die beiden schlagartig ihr Gespräch unterbrochen und waren ihrem Weg mit den Augen gefolgt. Erst als sie wieder weiter entfernt war, hatten sie ihre Unterhaltung fortgesetzt.
    Das zweite Mal hatte sie ihn irgendwann besuchen wollen und war gerade im Begriff zu klopfen gewesen, als sie ein furchtbares Stöhnen und Wimmern aus dem Inneren der Hütte vernahm. Darauf hin hatte sie sofort an die Tür geschlagen und Einlass verlangt. Doch die Tür war verriegelt und niemand hatte ihr geöffnet. Dass Helmin Ankwin dann zwei Tage später noch einmal besucht hatte, verschwieg sie allerdings.
    Die jüngste Erinnerung war die mit dem Goldsack, den er ihr aus Dankbarkeit geschenkt hatte. Lavielle hörte aufmerksam zu. Sie schrieb ununterbrochen und schnell war der Tote über und über mit Schriftzeichen bedeckt.
    »Das ist alles, was mir zu Ankwin einfällt.« Sie setzte sich auf die Truhe, auf der sie immer gewacht hatte. Das Behältnis knarrte und sofort fiel ihr das Erlebnis von letzter Nacht ein.
    »Was bedeutet Gorboir Garesch?«
    Lavielle erstarrte in der Bewegung. Langsam hob sie den Kopf und sah Helmin an.
    »Ihr meint Gordobir Garesch?«
    »Ja, genau, was bedeutet es?«
    »Wo habt Ihr das gehört?«, Lavielle klang auf einmal sehr eindringlich.
    »Wenn Ankwin fieberte, hat er viel gesprochen, tagelang. Ich habe nichts verstanden, aber manchmal fielen diese Worte. Er klang dann immer sehr ängstlich. Deshalb konnte ich sie mir so gut merken.«
    Lavielle entspannte sich augenblicklich wieder und widmete sich ihrer Schrift. Das Thema schien für sie erledigt zu sein.
    Helmin war verunsichert. Nach einer ganzen Weile des Schweigens sagte die Heilerin, ohne aufzublicken: »Es ist der Name eines Drachen. Es bedeute Gordobir Menschenschinder.«
    Helmin spürte plötzlich einen Abstand zwischen Lavielle und sich, den sie seit dem gemeinsamen Abendessen nicht für möglich gehalten hätte. Doch das Gefühl war so schnell weg, wie es gekommen war, zurück blieb nur der schale Nachgeschmack einer nie ausgetragenen Auseinandersetzung oder eines über Jahre hinweg mit sich herumgetragenen Konfliktes. Vielleicht war es auch nur die Unterschiedlichkeiten ihrer beiden

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