Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Stadt.« Es war eines der wenigen Häuser, die etwas von der Straße zurückfielen und einen Vorgarten hatten. Das bedeutete zweierlei – erstens war das Haus noch sehr jung und zweitens hatte es ein Vermögen gekostet, da man hier im Stadtzentrum für eine so große Grundfläche mindestens drei alte Häuser hatte abreißen müssen. Ankwin kannte sich mit großen Städten nicht aus, aber das wusste selbst er.
Während Villon unaufhaltsam weiter sprach, streiften die Augen des jungen Mannes über die Straßen und die Menschen in ihnen. Hier im Zentrum war beinahe jedes Haus so prachtvoll wie das schönste Haus seines Heimatdorfes.
»Hier links ist das Haus des verstorbenen Kostan. Nachts kann man ihn in seinem Haus auf und ab gehen sehen, weil sein Geist keine Ruhe findet, bis er weiß, dass alles bei seiner Bestattung so gelungen ist, wie er es geplant hat. Mintane hat erzählt, dass ...«
Ankwin ließ sich von der Stimme Villons forttragen und floss mit im Strom der Königsstadt. Dienstboten, Träger, Stadtwachen, Marktfrauen, Mägde, Reiter, Karren, Sänften - die verschiedensten Gestalten hasteten oder schritten Villon und Ankwin entgegen oder überholten sie. Sie rochen nach Wurst, Rauch, Kräutern, Schweiß, Fisch oder frischen Schnittblumen. Allerlei Gesichter erschienen in seinem Blickfeld und verschwanden ebenso schnell wieder daraus. Breite Gesichter und schmale, runde Gesichter und lange, alte Gesichter und junge, unrasierte und gepflegte, zahnlose und Gesichter mit vollen Lippen, manche mit Narben und manche mit Tätowierungen, Gesichter von Männern und Gesichter von Elfen ... Elfen?
Eine elfengleiche Gestalt hatte sein Blickfeld gestreift und auch schon wieder verlassen. Ankwin drehte seinen Kopf, konnte sie aber nur noch von schräg hinten sehen. Die kräftigen, dunklen Haare waren offen und ließen gerade noch einen Blick auf den Wangenansatz zu, der herrlich geschnitten war und die sehr hohe Wangenknochen und unendliche lange Wimpern zeigte. Während die elfengleiche Frau sich mit irgendjemand, der neben ihr ging, unterhielt, streifte sie ganz nebenbei eine Strähne hinter ihr rechtes Ohr und wandte ihren Kopf zu diesem jemand. Ankwin sah nun das wohl wundervollste und anmutigste Gesicht, das je das Herz eines Kriegers erweichte.
Eine feine aber nicht zu zierliche Nase saß zwischen zwei großen tiefgrünen Augen, die von dunklen Wimpern umrandet wurden. Die Brauen waren fein geführte Pinselstriche, die das Gesicht von der majestätischen Stirn trennten. Zwischen Wangen und Mund waren schmale senkrechte Grübchen. Und der Mund selbst bestand nicht nur aus vollen Lippen, nein, er war auch etwas zu groß, aber gerade das machte ihn perfekt.
»... Heilernovizin.«
Ankwin führte seine Betrachtung fort, als etwas an seiner Hand zerrte.
»... eine Heilernovizin.«
Villon zog Ankwin wieder an der Hand.
»Hoher Herr, verzeiht, aber Ihr steht im Weg eines Fuhrwerks und die Dame, die Ihr betrachtet, ist eine Heilernovizin.«
Für einen kurzen Moment musste sich Ankwin neu orientieren, dann trat er sofort einen Schritt zur Seite. Trotz seiner Statur und des hohen Standes, den Ankwin zweifellos innehatte, wurde er einen Kutscher gewahr, der davon unbeeindruckt nicht gerade zimperlich fluchte, als er vorbei fuhr.
»Wo ... woher weißt du, dass ich sie beobachtet habe?«
»Ankwin, hoher Herr, wärt Ihr noch einen Moment länger so stehen geblieben, wüsste es wohl ganz Brakenburg. Sie ist eine wunderschöne Frau.«
Ankwin räusperte sich etwas unbeholfen. »Ich habe mich nur gefragt, warum sie keine Haube trägt. Außerdem, wie redest du überhaupt mit mir, Bursche. Zeig mir lieber den Markt, ich habe Hunger.«
Villon dreht sich um und ging voraus. »Verzeiht mir bitte. Zum Markt müssen wir da lang, hoher Herr.« Auf dem Gesicht des Jungen machte sich ein schelmisches Grinsen breit.
»Wer ist die Frau?«
»Sie ist eine Heilernovizin vom großen Orden. Wie sie heißt, weiß ich nicht, aber sie trägt keine Haube, weil sie eine Novizin ist.«
Ankwin war der Heilerorden nicht unbekannt. Seit er denken konnte, hatte es ihn schon gegeben, eine feste Institution, die überall im Land vertreten und hoch angesehen war. Doch hatte er sich nie näher damit beschäftigt. Am Hof seines Vaters war zwar auch ein Heiler namens Rugard gewesen, doch hatte der die Riten der Heiler nie ausführlich praktiziert oder gar erklärt. Er war mehr dem gegorenen Traubensaft zugetan gewesen und seine Prunkrobe hatte
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