Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Ankwin nur ein oder zwei Mal in seinem Leben bei irgendeinem hohen Fest gesehen.
Als sie den großen Platz erreichten, wollte Ankwin zuerst einen Überblick gewinnen, da man vor Menschen und Markständen nicht weit sehen konnte. Er stieg eine der Treppen eines Tempels hinauf, dann drehte er sich zu dem Platz um und in diesem Augenblick wurde dem jungen Krieger einmal mehr bewusst, was für eine Stadt Brakenburg war.
Die Straßen und Gassen waren zwar voll gewesen, aber dieser Anblick überbot alles, was er bis jetzt gesehen hatte. Marktschreier boten ihre Ware feil, Blumenfrauen priesen ihre Sträuße an, fahrendes Volk führte den Leuten waghalsige Kunststücke vor und brachte sie durch Späße zum Lachen. Dunkelhaarige Frauen mit bunten Kopftüchern und klimperndem Schmuck lasen für ein Kupferstück aus der Hand. Priester waren vor ihre Tempel getreten und verkündeten ihre Glauben. Tuchhändler unterboten sich gegenseitig und machten den hohen Damen in ihren Sänften billige Komplimente. Verkrüppelte Bettler entlockten mitleidigen Menschen ein paar Münzen oder etwas Essbares. Tagelöhner kauten Tabakblätter gegen den Hunger, während sie auf Arbeit warteten. Die Schlachter feilschten mit den Köchen der hohen Häuser um die besten Fleischstücke. Sklaven und Pferde wurden begutachtet und wechselten den Besitzer. Zwei Faustkämpfer schlugen sich blutig, während bleichgesichtige Adlige unter tragbaren Baldachinen im Schatten saßen und beiläufig viele Goldmünzen auf sie wetteten. Geschichtenerzähler berichteten von längst vergangenen Tagen, von wilden Tieren, Helden und schönen Jungfrauen.
Ein Blinder stand auf einer alten Kiste. Er war über und über mit Asche bedeckt. Während er sprach, gestikulierte er wild mit den Armen und graue Staubwolken lösten sich bei jeder Bewegung aus seinem ärmlichen Gewand. Immer wieder zeigte er auf vorbeilaufende Menschen.
»... werden wir verdorren. Der Menschenschinder ist unter uns. Ihr, junge Frau und du mein Junge, ja auch Ihr guter Herr, ihr alle werdet ausbluten und verdorren. Das Böse ist nicht auf dem Weg, es ist schon da! Ihr müsst die Zeichen sehen, sie sind überall. Seid aufmerksam ...«
Nach wenigen Sätzen war abzusehen, dass der Seher sich inhaltlich wiederholte, wobei sich seine Ausdrücke und Umschreibungen in immer neuen apokalyptischen Sprachblüten niederschlugen.
»Villon! Lass uns etwas essen und dann will ich über den Platz gehen.«
»Ich kenne eine gute Braterei, die haben um diese Zeit des Tages schon leckere Sachen.«
Der Junge eilte geschickt durch die Menge voraus, sodass Ankwin mit seiner breiten Statur alle Mühe hatte, ihm zu folgen.
Villon hatte nicht zuviel versprochen. Ein großes Bratenstück, ein paar frische Scheiben Brot und einen Krug Wasser später schlenderten die Beiden wieder über den Platz. Die Sonne stand schon hoch am Himmel.
Ankwin besah sich gerade ein Kurzschwert aus dem Angebot eines Waffenschmieds, da er mit dem Gedanken spielte, seinen neuen Kammerdiener in der Kunst des Kampfes zu unterweisen, als plötzlich Fanfaren erklangen und eine befehlsgewohnte Stimme den Lärm des Marktes durchbrach wie der Pflug die Erde.
»Macht Platz für den Herold, macht Platz!«
Augenblicklich entstand eine große Unruhe unter dem Volk. In der Mitte des Platzes wurde in wenigen Augenblicken durch mindestens dreißig Soldaten der Stadtwache eine große Fläche freigeräumt. Standbesitzer musste völlig überhastet ihre Stände abbauen.
Sechs Trommler und zwei Fanfarenspieler marschierten durch eine Gasse in der Menge und bildeten einen großen Kreis. Der Rhythmus war beeindruckend. Langsam und sich seiner Stellung sehr wohl bewusst ritt ein älterer Mann in prunkvoller Kleidung auf einem Rappen in die Mitte der Fläche. Das Pferd trug das Wappen der Stadt, ein weißer Drache auf grünem Grund, unten rechts war eine kleine Krone.
Feierlich entrollte der Herold ein Pergament. Die Fanfaren paarten sich mit einem Trommelwirbel und dann war Stille.
»Volk von Brakenburg, höre! Höre! Es wird heute zur Mittagszeit Gericht gehalten. Angeklagt ist ein stummer Mann aus dem Lande Berishad. Er hat acht Männer getötet, darunter auch drei Soldaten dieser Stadt. Weitere hat er schwer verletzt.
Dem Gericht wird der hohe Richter Herr Bungad von Brakenstein vorsitzen, die Klage wird gesprochen von dem hohen Brinthardt, für den Berisi spricht noch niemand. Nach königlichem Recht kann jeder seine Verteidigung übernehmen, der sich
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