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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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für irgendeinen Gauner. Ausgezeichnet! Und jetzt lassen Sie sich von mir einen Rat geben. Er wird Sie keinen Heller kosten, im Gegenteil. Sie werden dadurch eine Menge Geld verdienen und sich fragen, was eigentlich meine Absicht ist. Das Ganze klingt Ihnen wohl komplett verrückt?«
    »Allerdings«, sagte ich bestimmt, »was soll’s sein, ein Staubsauger oder ein Kühlschrank? Ich brauche keins von beiden.«
    Er runzelte die Stirn. »Wollen Sie einen Augenblick ernst bleiben?«
    »Verzeihen Sie. Aber diese ganze entwaffnende Offenherzigkeit war für mich etwas zuviel.«
    »Nun gut. Ich bitte Sie jetzt, mir zu vertrauen und meinen Rat anzunehmen.«
    »Ich bin immer bereit, auf Ratschläge zu hören.«
    »Gut. Dann rate ich Ihnen, General Vagas’ Einladung anzunehmen. Er könnte Ihnen einen interessanten Vorschlag machen.«
    Ich sah ihm offen ins Gesicht. »Schauen Sie, Mr. Zaleshoff, ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen, und es interessiert mich auch nicht. Außerdem sehe ich durchaus nicht ein, was eine Einladung an mich mit Ihnen zu tun hat.«
    »Ich bitte Sie dennoch, sie anzunehmen.«
    »Nun, es wird Sie vielleicht interessieren, daß ich schon entschlossen bin, sie nicht anzunehmen.«
    »Dann ändern Sie Ihren Entschluß.«
    Ich stand auf. »Bitte entschuldigen Sie mich, Mr. Zaleshoff. Ich habe einen anstrengenden Tag hinter mir, und Gesellschaftsspiele sagen mir nichts. Ich danke Ihnen für das Abendessen und den ausgezeichneten Cognac. Vielleicht gestatten Sie mir, die Gastfreundschaft demnächst zu erwidern. Jetzt muß ich wirklich gehen. Gute Nacht.«
    Er stand auf. »Gute Nacht, Marlow. Ich freue mich darauf, bald wieder das Vergnügen zu haben.«
    Ich ging zur Tür.
    »Ach übrigens …«
    Ich drehte mich um. Er nahm die Karte vom Schreibtisch auf und tippte mit dem Fingernagel dagegen. »Es mag Ihnen aufgefallen sein, daß unten auf der Karte eine Notiz ist. Sie besagt: Siehe V 18. Karte V 18 ist in einem dieser Fächer. Wenn Sie General Vagas wieder treffen und dann Lust haben, sie anzusehen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.«
    »Warum sollte ich sie sehen wollen?«
    »Das V bedeutet Vagas.«
    »Das ist sehr interessant, aber da ich General Vagas nicht sehen werde …« Ich zuckte die Achseln. »Gute Nacht.«
    »Träumen Sie was Schönes.«
    Ich ging.
    Meine Träume waren diese Nacht durchaus nicht schön. Ich erinnere mich, daß ich gegen halb vier morgens von einem Alptraum erwachte. Bellinetti hatte versucht, mich unter Stapeln von Fotografien von Vagas zu ersticken. Aber als ich dann endlich wieder einschlief, dachte ich an Claire. Es war ja nur eine Frage von ein, zwei Monaten, bis ich sie wiedersehen würde. Liebe Claire!

5. Kapitel
    Notenwechsel
    D
    ie nächsten zehn Tage sah ich Zaleshoff nicht. Die Götter neigen – wie die meisten Spaßvögel – dazu, ihre Scherze zu wiederholen. Der Mensch hat sich sozusagen daran gewöhnt, von Zeit zu Zeit einen Eimer Wasser auf den Kopf zu bekommen. Er mag zur Seite treten, naß wird er auf jeden Fall; und so beschäftigt ihn denn sein neuer Hut mehr als die Ironie des Schicksals. Er hat verlernt, sich zu wundern. Der Schmerzensschrei der Tragödie ist zu einem verdrossenen Brummen degeneriert. Die Götter haben jedoch noch immer einen kleinen Scherz in ihrem Repertoire, der regelmäßig olympisches Gelächter auslöst. Ich jedenfalls falle immer prompt darauf herein. Kern dieses Spaßes ist eine Illusion; die Illusion nämlich, daß die simple emotionale Stumpfheit und die partielle Lähmung des Geistes, die uns mit dem Morgenlicht erfassen, in Wirklichkeit Klarsicht seien.
    Der Morgen nach diesem ersten sonderbaren Abend mit Zaleshoff war prachtvoll. Er war kalt, aber die Sonne schien und beleuchtete die verblaßten grünen Plüschvorhänge in meinem Zimmer, so daß sie noch schäbiger aussahen, als sie eigentlich waren. Diese Wirkung erhöhte die Täuschung und verstärkte die Illusion, daß ich jetzt klar sähe. Beim Kaffee lachte ich über mich selbst wegen meiner Befürchtungen vom Abend vorher. Diese Kartothek, die geheimnisvollen Andeutungen des Amerikaners – was für ein Unsinn. Ich mußte verrückt gewesen sein, daß ich das ernst nahm. Nur meiner völligen Unkenntnis kontinentalen Geschäftsgebarens war das alles zuzuschreiben. Diesen Faktor mußte ich in Zukunft berücksichtigen. Fitch hatte mich diesbezüglich gewarnt. »Da drüben«, hatte er gesagt, »macht man Geschäfte, als handle es sich um eine speziell schmutzige Art

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