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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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ich es nicht verstehe.« Die Ruhe, mit der er diese widerlichen Geschichten erzählte, hatte mich empört und irritiert.
    »Es ist doch einfach, Mr. Marlow«, sagte das Mädchen besänftigend. »Sehen Sie, nachdem die Ovra von Fernings Spionage-Tätigkeit erfahren und ihn ermordet hatte, mußte sie doch seinem Nachfolger mit einigem Mißtrauen gegenüberstehen. Sie könnten ja dasselbe Spiel versuchen.«
    »Aber warum haben sie nicht Vagas umgebracht? Warum Ferning? Er war doch nur der Untergebene.«
    »Weil Vagas zu schlau für sie ist«, sagte Zaleshoff. »Er hat eine neue Variante des alten königlichen Spiels der Bestechung gefunden, die großartig funktioniert. Er beschränkt sich nicht auf Spionage. Dazu ist er zu klug. Er schützt sich, indem er daneben ein kleines Geschäft betreibt. Eine ganze Reihe von prominenten Beamten würde einen Teil ihres Einkommens verlieren, wenn Vagas liquidiert würde. Sie wissen, daß er ein ausländischer Agent ist, aber solange sie das Gefühl haben, daß sie verhindern können, daß er etwas Wertvolles in die Hand bekommt, sind sie zufrieden. Das ist ihr Fehler, denn er bekommt das, worauf es ankommt. Er läßt sie bei dem Glauben, daß sie ihn zum Narren halten, und er lacht sie die ganze Zeit heimlich aus. Das Geheimnis ist natürlich, daß sie, weil ihre Privatgeschäfte mit Vagas einträglich sind, glauben wollen , daß er harmlos ist.«
    »Und was ist mit meinem Paß?«
    »Das ist nichts Neues. Das ist eine gute Art, Sie in der Hand zu haben. Die wissen ganz genau, daß es unsägliche Mühe kostet, einen Paß ersetzt zu bekommen, auch wenn alle Anzeichen darauf hindeuten, daß er vernichtet wurde. Es verursacht endlose Formalitäten. Wenn er aber nicht definitiv verloren ist, sondern nur verlegt, und wenn Aussicht besteht, daß er wieder auftaucht, so sind die Schwierigkeiten noch größer. Das ist genau, was sie wollen. Wenn Sie das Land verlassen wollten, müßten Sie sich ein Reisedokument von Ihrem Konsul verschaffen. Das würde wieder darauf hinauslaufen, daß man an die Polizei wegen eines Visums herantreten müßte. In anderen Worten, Sie können das Land nicht ohne ihre Einwilligung verlassen. Man hat Sie gut an der Leine.«
    »Und vermutlich war das öffnen der Briefe auch ihr Werk?«
    »Natürlich. Sie müssen ja auch ein Auge auf Bellinetti haben. Das ist so ihre Art.«
    Ich saß einen Augenblick schweigend da. Ich versuchte im Geiste, die Angelegenheit ins richtige Geleise zu bringen. Vagas, Ferning, Bellinetti. Ferning mit seinen kleinen ängstlichen Augen und seinem protestierenden Mund war das geborene Opfer. Demnach: der Ermordete. Ferning war das Schaf, Vagas und Bellinetti waren die Wölfe – Wölfe, die in verschiedenen Rudeln jagten. Aber wohin gehörte Zaleshoff? Er hatte nichts vom Schaf an sich. Nun, mir konnte es gleichgültig sein. Ich hatte nichts damit zu tun. Ich würde nicht denselben Fehler machen wie Ferning. Je weniger ich wußte, desto besser. Keine Fragen stellen …
    Ich blickte auf. »Nun«, sagte ich bestimmt, »es ist sehr schön von Ihnen, mir dies alles zu erzählen und mich vor gewissen Gefahren der Großstadt zu warnen. Aber Ihre Warnung ist überflüssig. Ich habe Vagas schon gesagt, daß ich sein großzügiges Angebot ablehne.«
    »Wollen Sie damit sagen«, erwiderte er zögernd, »daß er sich von Ihnen einfach eine Absage geben ließ?«
    Ich lachte. Ich fühlte mich sehr selbstsicher. »Nicht gerade das. Er wollte sich mit dem Nein nicht begnügen. Er verblieb dabei, daß ich ihm meine Entscheidung telefonieren soll. Ich hatte mich schon entschlossen, ehe ich heute abend zu Ihnen kam. Vagas«, fuhr ich nach einer Pause fort, »muß ein kaltblütiger Teufel sein, daß er mich der Ovra als nächstes Opfer präsentiert.«
    »Vagas weiß offenbar nicht, daß Fernings Tod kein Unfall war, sonst hätte er Sie heimlich getroffen. Er hätte es vielleicht sogar als Zeitverschwendung betrachtet, mit Ihnen in Verbindung zu treten.«
    »Aber was ist dann mit Madame Vagas? Sie gibt offenbar ihrem Mann die Schuld an Fernings Tod. Wie …«
    »So ist es«, stimmte er grimmig zu. »Darum hat mich auch der Zettel etwas erschreckt. Madame Vagas weiß mehr, als sie sollte.«
    »Nun«, sagte ich leichthin, »mich geht das nichts an. Ich hatte mich schon entschieden, und was Sie mir erzählt haben, hat mich in meinem Entschluß nur bestärkt.«
    Er blickte nachdenklich auf mich und rieb sein Kinn. Dann sagte er langsam: »Ich glaube, Sie

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