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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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führt zu einer Frage – und die Frage ist die: Wenn jemand Ihnen erklärte, daß Sie durch ein ganz bestimmtes Verhalten einen sehr kleinen, aber sehr positiven Beitrag dazu leisten könnten, eine Kerbe in jene Achse zu schlagen, was würden Sie dazu sagen?«
    »Ich würde sagen, daß er nicht ganz bei Trost ist.«
    Er grinste. »Hm ja. Sie würden das vermutlich sagen. Aber angenommen, er wäre bei Trost und redete durchaus vernünftig und könnte es beweisen. Was würden Sie dann sagen?«
    Ich wurde unruhig. »Ich habe nicht viel übrig für diese schönen, einfachen Parabeln, Zaleshoff. Vagas hatte auch eine Schwäche dafür. Lassen Sie mich lieber Tatsachen hören.«
    »Das wollte ich eben tun.« Er steckte seine Hand in die Tasche. »Sie wünschten ein paar Aufklärungen, hier ist die erste: die Karte V 18 aus meiner Kartothek. Schauen Sie sie an.«
    Seine Hand zog die zusammengefaltete Karte heraus.
    Das Bild von Vagas war offenbar die Kopie einer Fotografie, die vor ein paar Jahren gemacht worden war. Er hatte mehr Haare am Scheitel und an den Seiten war er kurz geschoren. Die Gesichtshaut war straffer. Er trug einen hohen, röhrenförmigen Kragen und eine breite Krawatte. Unter dem Bild klebte ein maschinegeschriebener Zettel.

    Johann Luitpold Vagas, geboren in Dresden 1889. Heidelberg, Armee 1909. 6. Bayrisches Kavallerie-Regiment. Berlin 1913. Kriegsministerium. 1917 Eisernes Kreuz und Leopoldstern. 1918 Flüchtling in Belgrad. Jugoslawische Staatsbürgerschaft 1922. 1924 jugoslawischer Agent für Cator & Bliss Ltd. in London. 1933 Rückkehr nach Deutschland. 1934 nach Belgrad. Rom 1936. Mailand 1937. Siehe S. 22, J. 15, P. 207, C. 64, F. 326.

    Ich blickte auf. »Was soll das alles heißen?«
    Zaleshoff zog die Stirne kraus. »Fällt Ihnen nichts auf?«
    Ich las die Karte von neuem. »Er scheint Vertreter einer britischen Stahlfirma gewesen zu sein.«
    »Ja, er verkaufte der jugoslawischen Regierung Kanonen. Aber das ist es nicht, was ich meine.«
    »Was meinen Sie denn?«
    »Er war deutscher Offizier. 1918, als die Revolution ausbrach, entwischte er nach Belgrad und wurde später Jugoslawe. Aber« – er stach mit dem Zeigefinger in die Luft – »1933 kehrte er nach Deutschland zurück. Beachten Sie das Datum. Was geschah 1933 in Deutschland?«
    »Hitler kam an die Macht.«
    »Richtig. Deutschland wurde nazistisch, deshalb kehrte er zurück.«
    »Und ging im nächsten Jahr wieder fort, was bedeutet das?«
    »Nur das: Vagas ging als Jugoslawe nach Deutschland und kam als Deutscher zurück. Von 1934 bis 1936 war er der wichtigste Geheimagent der Deutschen in Belgrad. Das war für sie ein Haupttreffer. Hier war ein patriotischer, aber expatriierter deutscher Offizier mit einem jugoslawischen Paß, durch Waffenlieferungen beim Belgrader Kriegsministerium gut eingeführt. Was wollte man mehr? Der deutsche Geheimdienst ist immer geizig gewesen, und ich kann wohl sagen, die Tatsache, daß er als Vertreter von Cator & Bliss dicke Provisionen bekam und nichts wollte außer seinem Lande dienen, bildete eine weitere Attraktion. Außerdem ist ein unbezahlter Agent immer besser als jemand, der unzuverlässige Informationen liefert, nur um seine Bezahlung zu rechtfertigen.«
    »Ja, ich verstehe. Aber wenn er so erpicht darauf war, den Nazis zu dienen, was tut er dann hier für die Jugoslawen?«
    Zaleshoff lehnte sich behaglich auf dem Diwan zurück. »Na also!« Er lächelte seraphisch. »Jetzt kommen wir zum Kern der Sache. Ja, was tut er hier?« Er beugte sich vor. »Ich will es Ihnen sagen: nichts. Er arbeitet nicht für die jugoslawische Regierung. Er arbeitet für die Nazis.«
    »Er sagte mir …«
    »Es gibt ein gutes altes Wort für das, was er Ihnen sagte: ›Humbug‹. Hören Sie zu. Am 19. Oktober 1936 traf der italienische Minister des Äußeren, Ciano, den deutschen Außenminister von Neurath in München. Bei dieser Zusammenkunft wurde die Achse Rom-Berlin geschmiedet. Vierzehn Tage später gab Mussolini in einer Rede auf der Piazza del Duomo , hier um die Ecke, die Existenz der Achse bekannt. Die Menge sang ›Deutschland über alles ‹ und das Horst-Wessel-Lied, so laut sie nur konnte. Schwarzhemden und Braunhemden verbrüderten sich, Italien und Deutschland schworen sich ewige Freundschaft.« Er machte eine dramatische Pause. »Zwei Wochen später packte Vagas seine Koffer und begab sich nach Italien.«
    Er nippte an seinem Whisky. »Haben Sie je eine Katze und einen Hund beobachtet, wenn sie

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