Anlass
verstehen noch immer nicht ganz, Marlow.«
»Was soll ich verstehen?«
Er seufzte. »Meine Motive, warum ich Ihnen das alles sage.«
»Nun, welche sind es?«
»Ich habe auch einen Vorschlag für Sie.«
Ich lachte. »Nun, heraus damit. Er kann nicht so schlecht sein wie der von Vagas.«
Er hüstelte etwas verlegen. Zum ersten Male sah ich in seinem Gesicht Anzeichen von Betretenheit. »Es handelt sich darum, Marlow«, begann er und unterbrach sich dann.
»Nun?«
»Ich möchte, daß Sie General Vagas anrufen und ihm sagen, Sie hätten sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, seinen Vorschlag anzunehmen.«
8. Kapitel
Der Vorschlag
S
ie sollten noch etwas trinken « , fügte er hinzu. Ich brach plötzlich in Lachen aus. Beide sahen mich schweigend und ziemlich verdutzt an.
»Mein lieber, guter Zaleshoff«, sprudelte ich schließlich heraus, »Sie müssen wirklich nicht solche idiotischen Scherze machen.«
Meine Absicht war, ihn zu ärgern, und das gelang mir auch. »Es ist kein Scherz, Marlow.«
»Nicht?« Da packte mich die Wut. Ich hörte auf zu lachen. »Wenn es kein Scherz ist, was ist es dann, zum Teufel noch einmal?«
Er nahm sich sichtlich zusammen, um ruhig zu bleiben. »Wenn Sie mir gestatten wollen, mich näher zu erklären …«
»Erklären! Erklären!« Meine Stimme wurde laut. »Sie haben bisher nichts anderes getan als erklärt. Jetzt lassen Sie einmal mich erklären. Ich bin Ingenieur, und ich bin zu einem bestimmten Zweck hier in Mailand. Ich habe eine Aufgabe und gedenke sie auch auszuführen. Ich habe kein Interesse an irgendwelchen Vorschlägen, die nicht im Interesse meiner Firma sind. Habe ich mich ganz klar ausgedrückt? Wenn es nicht klar ist, muß ich Ihnen für den angenehmen Abend danken und gehen.«
Zaleshoff saß da mit einem Gesicht wie eine Gewitterwolke. Als ich ausgesprochen hatte, holte er tief Atem und öffnete den Mund, um zu sprechen. Aber seine Schwester kam ihm zuvor.
»Einen Moment, Andreas.« Sie wandte sich mir zu. »Mr. Marlow«, sagte sie kühl, »jemand hat einmal behauptet, die Engländer seien das bestgehaßte Volk der Welt. Ich fange an zu verstehen, wie das gemeint war. Von allen dummen, eingebildeten, kurzsichtigen, selbstzufriedenen, verbohrten, blödsinnigen …«
»Tamara.«
Sie errötete. »Sei ruhig, Andreas. Ich bin noch nicht fertig. Sie, Mr. Marlow, kommen hierher und wissen vermutlich von nichts, außer dem, was Ihren Beruf als Ingenieur betrifft. Das kann ich verstehen. Aber daß Sie sich weigern, auch nur zuzuhören, wenn Ihnen jemand etwas aus der Welt außerhalb Ihres eigenen kleinen Ideenkreises erzählen will, das kann ich nicht verstehen. Haben Sie nicht einen Funken von ganz gewöhnlicher Neugier in sich?«
Ich stand auf. »Ich glaube, es ist besser, wenn ich gehe.«
Sie stellte sich mit dem Rücken gegen die Tür. »O nein. Das werden Sie nicht tun. Sie werden meinen Bruder anhören.«
»Laß ihn gehen, Tamara«, sagte Zaleshoff ruhig. »Es macht nichts. Es geht auch ohne ihn.«
Einen Augenblick stand ich unentschlossen. Ich war verlegen und kam mir töricht vor. Ein bißchen schämte ich mich. Sie hatte ja recht. Ich wollte nicht einmal zuhören. Außerdem hatte mich Zaleshoffs letzter Satz an einer empfindlichen Stelle getroffen. › Es geht auch ohne ihn.‹ So etwas pflegt man Kindern zu sagen, damit sie sich schämen und dann doch das tun, wogegen sie sich sträuben. Merkwürdigerweise wirkte es so auf mich. Später habe ich mich oft gefragt, ob das wohl Zaleshoffs Absicht war. Sein Verhalten war merkwürdig und verwirrend. Die Art, wie er die Emotionen seines Gegenübers ausnützte, beunruhigte einen zutiefst. Nie wußte man genau, ob sein Benehmen einstudiert war oder nicht, und ob es ihm darum ging, einer Sache Nachdruck zu verleihen oder etwas zu verbergen. Jetzt sagte ich mir jedoch, daß ich einfach kindisch war und daß es für mich das beste wäre, bei meinem erklärten Entschluß zu bleiben und zu gehen. Aber ich blieb trotzdem stehen.
Das Mädchen trat von der Tür weg. »Nun, Mr. Marlow«, sagte sie herausfordernd.
Mit einem Seufzer und einem Achselzucken setzte ich mich wieder hin. »Ich weiß nicht, was das alles bedeuten soll«, sagte ich kurz, »aber ich werde noch ein Glas trinken, wenn’s erlaubt ist.«
Zaleshoff nickte. »Natürlich.« Er erhob sich ohne ein weiteres Wort, ja ohne eine Spur von Überraschung zu zeigen, und schenkte zwei Gläser ein. Das Mädchen kam zu mir herüber.
»Es tut mir
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