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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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England zurückgehe?«
    Sein Achselzucken fühlte ich mehr, als ich es sah. »Das entnahm ich aus Ihrem Benehmen. Ihre Lebensgeister scheinen gelähmt.« Er machte eine Pause. »Diese Geschichte hat Ihnen die Freude an der Spartacusarbeit verdorben, nicht?«
    »Diese Geschichte und andere Dinge.« Plötzlich hatte ich Lust, mit jemandem darüber zu sprechen. Aber ich stellte nur eine Frage.
    »Kennen Sie einen gewissen Commendatore Bernabò?«
    »Der Kerl, den Sie bestochen haben, um den Auftrag zu bekommen?«
    Ich fuhr auf. Das war etwas, worüber ich mich mit Zaleshoff nie ausgesprochen hatte.
    »Ja, das ist er. Aber das habe ich Ihnen auch nicht erzählt.«
    »Solche Dinge sprechen sich herum. Bestechung ist ein alter italienischer Brauch.«
    »Es gibt viele alte italienische Bräuche, die ich nicht mag.«
    Er schmunzelte. »Für einen Geschäftsmann sind Sie ein bißchen empfindlich.«
    »Ich bin kein Geschäftsmann. Ich bin Ingenieur.«
    »Ach ja. Das hatte ich ganz vergessen. Verzeihung.«
    »Übrigens habe ich noch ein paar blaue Flecken.«
    Ich zögerte. »Ich werde mir wohl einen Posten suchen müssen.«
    »Wollen Sie Granaten herstellen, statt der Maschinen, die sie produzieren?«
    »Es gibt andere Dinge, die ein Ingenieur tun kann.«
    »Sicher!« Er machte wieder eine Pause. »Ich dachte, Sie erzählten mir, Sie hätten diese Stellung nur angenommen, weil Sie gerade nichts Besseres finden konnten?«
    »Gestern las ich in einer Fachzeitung, daß momentan Knappheit an erfahrenen Ingenieurs besteht.«
    Er stieß hörbar Rauch aus. »Ja, den Artikel habe ich auch gelesen.«
    » Sie haben den gelesen?«
    »Ich lese eine ganze Menge. Der Artikel gründete, wenn ich mich recht erinnere, auf der Erklärung eines leitenden Direktors einer Rüstungsfirma.«
    Zu meinem Ärger fühlte, ich, daß ich rot wurde. Ich war froh, daß es dunkel war.
    »Na, wenn schon!« sagte ich gleichgültig. »Jemand muß die Arbeit ja auch tun.«
    Er lachte, aber ohne Humor. »Die ewige Antwort nach dem Evangelium des Königs Profit. Die Industrie hat nur den einen Zweck, nur das eine Ziel, die Bedürfnisse der Geschäftswelt zu befriedigen. Nachfrage ist etwas Heiliges. Ob es die Nachfrage nach hochexplosiven Stoffen für die Abschlachtung von Zivilisten ist oder nach chemischem Dünger, ob es sich um Granaten oder um Kasserollen handelt, um Jutemaschinen für eine indische Schwitzbude oder um Kinderwagen, es ist alles eins. Kein Unterschied. Der Geschäftsmann hat keine andere Verantwortung, als für sich und seine Aktionäre Profite zu machen.«
    »Das hat alles nichts mit mir zu tun.«
    »Natürlich nicht«, erwiderte er sarkastisch. »Sie sind nur der, der es möglich macht. Aber Sie können auch der sein, der zu Brei zermalmt wird, wenn die Explosivstoffe losgehen – Sie und Ihre Frau und Ihre Kinder.«
    »Ich habe keine Frau und keine Kinder«, erwiderte ich mürrisch.
    »Ja, und?«
    »Verdammt, Zaleshoff, ich muß essen. Wenn Knappheit an erfahrenen Ingenieuren herrscht und ich ein solcher bin, was soll ich dann tun? Auf eine Seifenkiste steigen und Reden halten?«
    »In einem Jahr wird Ihnen dieselbe Fachzeitung sagen, daß es zu viel erfahrene Ingenieure gibt. Zu viele oder zu wenige – Überfluß oder Mangel – leere Mägen oder volle Wänste – die alte Geschichte. Wann werdet ihr Engländer etwas dagegen unternehmen?«
    »Sprechen Sie jetzt als Amerikaner oder als Russe?«
    »Was macht das aus? Es ist doch eine Sache des gesunden Menschenverstandes, ein schlechtes altes System durch ein besseres zu ersetzen, nicht?«
    »Sie meinen Sozialismus?«
    Ich muß es in verächtlichem Ton gesagt haben, denn er lachte und schwieg.
    »Der Mond geht auf«, sagte Tamara plötzlich. Ich blickte auf. Eine gelbliche Sichel wurde über den Bäumen sichtbar.
    »Wie eine Ansichtskarte«, bemerkte Zaleshoff, »aber eine gute Ansichtskarte.« Er stand auf. »Es ist Zeit, daß wir uns aufmachen.«
    Wir bezahlten die Rechnung und schlugen schweigend den Rückweg zum Fiat ein. Er führte einen beleuchteten Pfad hinunter. Als wir etwa den halben Weg hinter uns hatten, blickte ich unwillkürlich über meine Schulter.
    »Nein«, murmelte Zaleshoff, »Sie sind nicht da. Wir haben sie in Mailand zurückgelassen.«
    »Ich wollte nicht …«, begann ich. Dann unterbrach ich mich. Er hatte recht. Ich hatte mich daran gewöhnt, beschattet zu werden. So weit war es also gekommen, dachte ich bitter. Plötzlich spürte ich Heimweh nach zu Hause, nach

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