Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
Vom Netzwerk:
Kapitel
    Erpressung
    D
    ie Art, in der mich der General begrüßte, war die eines Mannes, der sich über die Streiche eines ungezogenen Kindes herablassend amüsiert.
    »Guten Abend, Marlow.«
    »Guten Abend, General. Sie wollten mich sprechen?«
    »Ja, das wollte ich. Aber dies …« – er brach ab und machte eine bezeichnende Handbewegung auf unsere Umgebung. »Hoffentlich ist Ihre Vorliebe für das Dramatische nun befriedigt?«
    »Ich hab ebensowenig fürs Dramatische übrig wie Sie, General«, erwiderte ich. »Ich wollte nur vorsichtig sein.«
    Im Widerschein des Armaturenbretts sah ich, wie sich seine dicken Lippen zu einem ironischen Lächeln verzogen.
    »Eine sehr lobenswerte Vorsicht, Marlow. Verzeihen Sie, wenn ich das Ergebnis etwas übertrieben finde.«
    »Sie wollten mich sprechen?« wiederholte ich.
    »Ja.« Aber offenbar war er entschlossen, sich Zeit zu lassen. »Ich höre, daß Sie den Auftrag des Commendatore bekommen haben.«
    »Das stimmt. Hoffentlich waren Sie zufrieden mit meinen Bemühungen, diese Gefälligkeit zu erwidern.«
    »Gewiß.« Er zögerte. »Aber wegen dieser Frage wollte ich eben mit Ihnen sprechen.«
    »Ja?«
    Er blickte in den Wagen.
    »Ach, Ledersitze. Da ist wohl mein Wagen etwas bequemer. Ich schlage vor, daß wir uns dort niederlassen.«
    »Ich finde diesen ganz bequem.«
    Er seufzte. »Mir scheint, ich finde heute nicht die Atmosphäre gegenseitigen Vertrauens und Respektes, an der mir bei unseren Beziehungen so viel liegt. Immerhin« – er öffnete die Wagentür – »hoffe ich, Sie haben nichts dagegen, wenn ich einsteige und mich neben Sie setze. Die Nachtluft hier auf dem Lande ist kalt, und ich muß auf meine Lungen acht geben.« Er hustete leise, um diesen Punkt zu betonen.
    »Aber bitte, steigen Sie ein.«
    »Danke sehr.« Er stieg ein, schloß die Tür und schnupperte. »Eine Zigarre, Marlow, und eine schlechte obendrein. Wirklich, ich kann Sie zur Wahl Ihres Tabaks nicht beglückwünschen.«
    Innerlich wand ich mich vor Ärger. Der Geruch des scheußlichen Krautes, das Zaleshoff auf dem Rückweg von Como geraucht hatte, hing noch in der Polsterung. Ich murmelte eine Entschuldigung.
    »Ich habe englische Zigaretten, falls Sie die vorziehen.«
    »Das tue ich. Danke.« Er nahm eine, entzündete sie am Streichholz, das ich ihm hinhielt, und inhalierte tief. Langsam blies er den Rauch aus. Ich wartete schweigend.
    »Marlow«, sagte er plötzlich. »Es hat sich etwas ziemlich Unangenehmes ereignet.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Ich schäme mich fast, es Ihnen zu sagen.«
    »So?«
    Er schien jetzt eine Taktik völliger Offenheit zu verfolgen. »Ich werde alle meine Karten auf den Tisch legen. Sie werden sich erinnern, daß, als wir ursprünglich unser Arrangement in meinem Hause besprachen, von zweitausend Lire monatlich die Rede war.«
    »Natürlich erinnere ich mich daran.«
    »Später erwähnte ich eine andere Zahl, nämlich dreitausend Lire monatlich, auf die wir uns dann einigten.«
    Ich brachte ein unentschlossenes ›Ja‹ heraus. Ich stand vor einem Rätsel. Ich hatte ein ganz anderes Eröffnungsmanöver erwartet.
    Er tippte mich aufs Knie. »Was ich damals nicht sagte, war, daß ich ganz auf eigene Verantwortung die Summe von zwei- auf dreitausend Lire erhöhte.«
    Ich sagte: »Ich verstehe.« Aber ich verstand nichts. Ich war völlig verwirrt. Ich fragte mich, ob Zaleshoff vielleicht einen Fehler gemacht oder zu selbstverständlich angenommen hatte, daß Vagas bei diesem Treffen auf Erpressung aus sei. Nach kurzem Schweigen fuhr er fort.
    »Sie werden meine Gefühle in dieser Angelegenheit verstehen, Mr. Marlow. Es lag mir daran, Ihre Mitarbeit zu gewinnen. Mir schien, daß ich durch mein Vorgehen die Interessen meines Landes nach meinen besten Kräften wahrnahm.« In seinem Ton lag der Vorwurf eines anständigen Mannes gegen eine ungerechte Beschuldigung. »Bedenken Sie dann meine Enttäuschung, ich möchte fast sagen meinen Ekel« – er sprach das Wort genußvoll aus – »als ich vor einigen Tagen verständigt wurde, daß meine Vorgesetzten in Belgrad meiner Abmachung nicht zustimmen.«
    »Ja, natürlich.« Mir schien, ich verstand ihn jetzt. Zaleshoff hatte sich geirrt. Dies war nur der Versuch, einen Handel rückgängig zu machen.
    Er seufzte schwer. »Ich brauche Ihnen nicht zu versichern, wie ich mich geärgert habe. Ich habe mich sofort mit Belgrad in Verbindung gesetzt und heftig protestiert. Ich stellte es den Leuten als Ehrensache dar. Aber ohne Erfolg.

Weitere Kostenlose Bücher