Anleitung zum Alleinsein
mir. «Als ich Steve Stewart kennenlernte, hab ich noch Bleistifte verkauft.»
Gleich darauf kommt Steve Stewart. Er ist Immobilienmakler und sieht auch so aus. Er hat die dazugehörigen Extrapfunde, das vertrauenswürdige Gesicht, die Lässigkeit in Wochenendkluft. Er ist von Colorado Springs hergefahren und hat drei Gedenkuhren für die Trainer der Jugendmannschaft seines Sohnes mitgebracht. Tom Schryver hat für die Uhren Namensschilder aus Messing graviert. «Das macht Tom so nebenher», sagt Stewart.
Tom Schryver lernte Stewart kennen, als er ihm für dessen Agentur Bleistifte mit Sonderprägung und andere Werbesouvenirs verkaufte. Ende 1986 erwarb Schryver eine Maklerlizenz und stattete der Abtei Holy Cross sogleich einen Besuch ab. Der Verwalter der Abtei bestätigte, dass die Mönche tatsächlich zum Verkauf bereit seien. Der Verwalter und Schryver einigten sich auf einen Angebotspreis von 12,75 Millionen Dollar, und Schryver sicherte sich für fünfundsiebzig Tage das alleinige Verkaufsrecht. Dann wandte er sich an den Leiter der Abteilung Grunderwerb bei der U S-Vollzugsbehörde , einen Mann namens Jim Jones.
Was bei Jones schließlich den Ausschlag gab, war ein zwölfminütiges Video, das Schryver gedreht hatte. Wir vier sehen uns das Video in Schryvers Wohnzimmer an und trinken dazu Billig-Cola light. Schryver kann seinen Stolz über die Zooms und Schwenks und den Soundtrack nicht verhehlen. «Es ist beileibenicht so einfach, wie’s aussieht, das, was gesagt wird, mit den Bildern zur Deckung zu bringen», sagt er. «Wenn ich nichts kommentieren musste, habe ich meine Stereoanlage aufgedreht, und wenn ich dann wieder was zu sprechen hatte, drehte ich sie leiser.»
Die Musik klingt nach Mantovani.
«Das ist eine Platte von Reader’s Digest», sagt Schryver.
Das Video erweckt den Anschein, als solle jedem potentiellen Käufer ein Überblick über die Abteigebäude gegeben werden. Doch Schryver war so raffiniert, es aufs Justizministerium abzustimmen. «Ich mach da ’nen Witz über Gefängnisse», sagt er. «Mal sehen, ob ihr ihn mitkriegt. Der Witz findet bloß in meinen Gedanken statt.»
«In deinen Gedanken», echot Steve Stewart in spöttischer Ehrfurcht.
Eigentlich kommen gleich mehrere Witze vor. Im Soundtrack beschreibt Schryver die Sporthalle der Abtei als «sehr angenehmen Ort, um längere Zeit darin zu verbringen». (Glucksend wendet er sich an uns: «Kapiert?
Längere Zeit?
») Dann erwähnt er, dass die Abteigebäude vom Highway 50 zurückgesetzt sind, es also «eine Pufferzone zur Außenwelt» gibt («Pufferzone! Hihi!»), und fügt hinzu, dass der eine Eingang der Abtei «leicht mit einem Tor versehen werden kann, um den Zugang zu beschränken».
«Die ganze Stadt hier hat einige Ähnlichkeit mit Dachau», bemerkt Stewart verschlagen.
«Der letzte Schwenk war besonders schwierig, weil ich den aus einem Auto raus machen musste», sagt Schryver. «Ist aber schön geworden. Seht ihr, dass genau in dem Augenblick, wo ich auf die Einfahrt zufahre, ein Laster rauskommt? Das ist viel schwieriger, als man meint.»
«‹Und nun wollen wir uns mal das Krematorium ansehen›», kommentiert Stewart aus dem Off.
Im Februar 1987 flog Jim Jones nach Florence und bezeichnetedie Abtei als die beste Anlage, die er bis dahin gesehen hatte. Über tausend Einwohner von Cañon City schickten vorformulierte Briefe an die Vollzugsbehörde mit der dringenden Bitte, es zu kaufen. Stewart zufolge war Jones von der Reaktion überwältigt. Er kündigte öffentlich an, die Behörde werde eine Immobilie in Colorado erwerben.
«Ich hab schon die dreihundertfünfundsiebzigtausend Piepen gezählt, die ich als Provision bekommen sollte», sagt Schryver. «Ich hab mir schon Mercedes-Prospekte schicken lassen.»
«Die Sache war im Grunde unter Dach und Fach», sagt Stewart. «Und dann, eine Woche nach der letzten Begehung, stehe ich eines Samstagmorgens auf und lese in der Zeitung die Schlagzeile: VERKAUF DER ABTEI GEPLATZT. So haben sie den Exklusivmaklern der Immobilie mitgeteilt, dass der Verkauf geplatzt war.»
Die Mönche der Abtei hatten sich ein Vetorecht gegen den Verkauf vorbehalten und es sich anders überlegt.
«Und ich hatte so sehr darauf hingearbeitet», sagt Schryver. «Ich hätte ziemlich stinkig werden können, als das Ding gestorben war. Aber das hab ich Steve überlassen.»
Steve Stewart glaubte, dass die Abtei Schryver noch ein Maklerhonorar schulde, da sein Büro das alleinige
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