Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anleitung zum Alleinsein

Anleitung zum Alleinsein

Titel: Anleitung zum Alleinsein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Franzen
Vom Netzwerk:
hast ja bloß Scheiße. Was’n das.
Das ist ein Club, dem du beitreten kannst, wenn ich dich empfehle.
Was denn für ’n Club.
Ein Club halt, ja? Du gehst da rein, und plötzlich umgibt dich Erregung! Du betrittst eine Welt, die vom warmen, flackernden Schein offener Kamine erleuchtet ist   … dem aufmerksamen Geraschel schöner Bunnys –
     
    Schon bald treibt er mit Industriekapitänen Handel. Zu Beginn des Romans geht eine Lehrerin mit JRs sechster Klasse in die Wall Street, um eine Diamond-Cable-Aktie zu kaufen, damit sie «lernen, wie unser System so funktioniert». Während die frisch erworbene Aktie der Klasse binnen weniger Stunden zehn Prozent an Wert verliert und Börsenmakler und Firmenangestellte die Märkte und Senatoren und ausländischen Regierungen aufs übelste manipulieren und ein Unternehmen in einer P R-Offensive losschleimt («Sie und Ihre amerikanischen Mitbürger spielen im großen Wirtschaftsgefüge unserer Nation doch keine passive Rolle mehr»), studiert JR die Statuten von Diamond Cable, stellt knallharte Fragen wie: «Was ist ein Optionsschein?» und «Was bedeutet das Minuszeichen vor zweieinachtel?», und findet heraus, dass der Aktienanteil der Klasse sie berechtigt, eine Aktionärsklage einzureichen. Innerhalb von Wochen bringt JR, der seine Geschäfte über ein Münztelefon in seiner Grundschule abwickelt, indem er mit einer solchen Klage droht undeinen Barvergleich akzeptiert, sein Betriebskapital zusammen. Er kauft anderthalb Millionen hölzerne Picknickgabeln aus Navy-Beständen, eine bankrotte Textilfabrik im Staat New York und darüber hinaus eine expandierende Galaxie dubioser Konzerne – eine Brauerei, eine Druckerei, einen Verlag, ein Pflegeheim, eine Leichenhalle. Wie sein Schöpfer ist JR ein Besessener. (Und wie Gaddis hat JR keinen präsenten Vater. Seine Mutter ist eine emsige Krankenschwester.) Er will erreichen, was sein Land ihm als erreichenswert vermittelt. Er hat weder Charme, Mitleid noch Skrupel, aber er weiß es nicht besser, also drückt man ihm die Daumen gegen die vielen Unternehmens- und Anwaltshaie im Roman, die es besser wissen müssten, aber sich genauso mies verhalten.
JR
greift Jonathan Lebed vor, dem Jugendlichen aus New Jersey, der angeblich die Märkte manipuliert hat. Er sagt die Sparkassen-Krisen und das Firmengekaper in den achtziger Jahren voraus («Weil, was nützt es, wenn der Rentenfonds da einfach so rumliegt», fragt sich JR, «wo wir ihn doch für sie arbeiten lassen können, damit sie diese Erwerbung machen, ja?»), und er zertrümmert hübsch George W.   Bushs Behauptung, die Gier an der Wall Street sei eine Anomalie der neunziger Jahre gewesen.
    Der aufrichtigste Erwachsene im Roman ist wiederum ein junger Komponist, ein Seelchen namens Edward Bast, den JR zwingt, für sein Konglomerat als Strohmann zu fungieren. Während Bast seine Tage damit verbringt, anderen Figuren zu helfen (natürlich hilft niemand ihm), stutzt sich die Oper, die er komponieren will, nach und nach auf eine Kantate, auf ein Stück für kleines Orchester und schließlich auf ein Cellosolo-Stück zurück. Die unerträglichen Ablenkungen im Roman erinnern an die Frustrationen in Kafkas Literatur; man spürt, wie es für einen Autor zum Albtraum wird, wenn er keinen ruhigen Raum zum Arbeiten findet. Bast versucht, in einer kleinen Zweitwohnung in Manhattan Musik zu komponieren – eine bittere Karikatur der Entropie; zwei kaputte Hähne speien Tag und Nacht heißesWasser, die einzige Uhr läuft rückwärts, in den Zimmern stapeln sich Schachteln mit nicht näher bezeichnetem Müll bis unter die Decke, ein nie recht geortetes Radio dudelt Unsinn, die Post bringt JR haufenweise Werbung, und JR hat Bast einen mechanischen Brieföffner geschickt, der die Briefe mittendurch schneidet. In einem anderen Teil der Stadt kommt Thomas Eigen, ein P R-Texter von Diamond Cables, der einmal einen «wichtigen» literarischen Roman geschrieben hat, von der Arbeit nach Hause, zu müde, um an seinem neuen Opus zu arbeiten. Die Wohnung ist ein Saustall, seine Frau ist sauer, und sein kleiner Sohn besteht darauf, dass er ein Brettspiel mit ihm spielt:
     
Du bist in die Heffalump-Falle getappt. Mama Papa ist in die Heffalump-Falle getappt. Mama?
Sie kann dich nicht hören David. Schrei nicht.
Wenn ich jetzt Rot krieg, dann, Gelb. Ich hab auch Gelb gekriegt guck, ich gewinn immer guck, guck mal wo ich bin und   …
David du gewinnst nicht immer, niemand   …
Ich hab gewonnen Mama

Weitere Kostenlose Bücher