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Anleitung zum Müßiggang

Anleitung zum Müßiggang

Titel: Anleitung zum Müßiggang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Hodgkinson
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gebracht werden konnte, wenn man bedenkt, dass er in der chinesischen Philosophie als eine Kraft des Guten gilt. Ich zitiere eines der Epigramme des Schriftstellers Chang Ch’ao aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts:
    Einer buddhistischen Lektion unter dem Mond zu lauschen, lässt deine innere Stimmung entrückter werden; über die Fechtkunst unter dem Mond zu diskutieren, macht deinen Mut begeisterter; über Dichtung unter dem Mond zu sprechen, macht deinen persönlichen Geschmack in der Abgeschiedenheit bezaubernder; und schöne Frauen unter dem Mond anzusehen, vertieft deine Leidenschaft.
    Ein Vollmond kündigt angeblich eine günstige Nacht zum Feiern einer Party an, und draußen unter den Sternen zu campen ist immer eine Freude. Das Zelten in den Ferien ist ein Weg, wieder Kontakt mit dem primitiven Ich in uns aufzunehmen; wir haben Spaß daran, weil es eine schlummernde Erinnerung daran weckt, wie wir einst gelebt haben. Wenn man den Dreh hinkriegen könnte, wäre das Wanderleben in der freien Natur etwas Gutes. Hier zu Lande lieben wir nichts mehr, als um ein Lagerfeuer zu sitzen.

1 UHR NACHTS
    Sex und Müßiggang
    Der Schauspieler David Garrick (1716–79) erzählt, als Samuel Johnson gefragt wurde, was die größten Vergnügen im Leben seien, »antwortete er, Ficken und das zweite sei Saufen. Und deshalb frage er sich, warum es nicht mehr Saufbolde gebe, denn alle könnten saufen, aber nicht alle ficken.«
    Von Burns zu Byron und von den Bohemiens bis zu den Hippies war die Geschichte des wilden, unbeschwerten Lebens und des Strebens nach Selbstbestimmung immer mit der Jagd nach sexuellen Freiheiten verknüpft. Es ist kein Zufall, dass viele unserer bekanntesten Radikalen auch Pornografen gewesen sind. Aber als eines der großen müßigen Vergnügen scheint der Sex von schrecklich vielen Problemen und Ängsten umzingelt zu sein.
    Die Freuden des Sex sind von den Prüden und Bürokraten, die oft Länder regieren und große Institutionen leiten, lange Zeit attackiert worden, und das Vergnügen mit sich allein war eine besonders beliebte Zielscheibe. Ebenso wie andere Formen des nicht der Fortpflanzung dienenden Sex, wie Homosexualität oder Sodomie, erlebte die Masturbation im neunzehnten Jahrhundert einen breiten und konzertierten Angriff durch Geistliche, Lehrer, Ärzte und Wissenschaftler. »Je schneller er sein verderbtes Ende findet, desto besser für ihn und für die Welt, die ihn endlich los ist«, schrieb Maudley, der Gründer der Nervenklinik, die seinen Namen trägt, über den Onanierer im Jahr 1868.
    Man kann sich denken, welche Riesenlasten an schlechtem Gewissen diese Moralkampagne gegen die Onanie den armen Sündern aufgeladen hat. Hier ein Auszug aus einem von Schuldgefühlen überquellenden Tagebuch einer gewissen viktorianischen Wohltäterin der Menschheit aus dem Jahr 1850:
    15. März: Gott hat mich von der großen Kränkung und der ständigen Tötung aller meiner Gedanken erlöst.
    21. März: Nicht gestört von meinem großen Feind.
    7. Juni: O dieser lange moralische Tod, dieses Scheitern aller Heilungsversuche. Ich glaube, es ist mir noch nie so schlecht gegangen wie in dieser letzten Woche.
    17. Juni: Nach einer schlaflosen Nacht körperlich und moralisch krank und zerbrochen, ein Sklave – froh, Athen verlassen zu dürfen. Ich habe keinen anderen Wunsch auf Erden als Schlaf.
    18. Juni: Ich hatte keinen Wunsch, keinen Feind, ich sehnte mich nur nach Schlaf. Mein Feind ist für mich zu stark, alles ist versucht worden. Alles, alles, ist vergeblich.
    21. Juni: Mein Feind ließ mich gehen, und ich war frei.
    24. Juni: Auch heute war ich frei.
    29. Juni: Vier lange Tage absoluter Sklaverei.
    30. Juni: Ich kann keinen Brief schreiben, kann nichts tun.
    1. Juli: Ich lag im Bett und rief Gott an, mich zu retten.
    (Es wird dich vielleicht überraschen, wenn du hörst, dass die Besitzerin dieser gewaltigen Libido keine andere als Florence Nightingale war.)
    Die Masturbation unter viktorianischen Damen gab zeitgenössischen Moralisten Anlass, reichlich die Hände zu ringen, denn sie führten das Laster auf Nichtstun zurück (der Teufel findet schon Arbeit für müßige Hände, nehme ich an). Hier ein Ausschnitt aus einem medizinischen Ratgeber der Zeit:
    Die Symptome, die uns dieses Verbrechen erkennen oder vermuten lassen können, sind die folgenden: allgemeine Mattigkeit, Schwäche und Abmagerung, das Fehlen von Frische und Schönheit, von Farbe der Gesichtshaut, Röte der Lippen, Weiße

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