Ann Pearlman
zu machen, ehe es brenzlig wurde.
Das war der Sommer, bevor ich Aaron kennenlernte. Und als ich Aaron begegnet bin, war er im Jugendgefängnis. Er schrieb mir Gedichte und erzählte mir in Briefen, dass er mit mir in den Zoo gehen, im Park herumwandern und auf dem Fluss Kanu fahren, dass er mich küssen und ausziehen wollte. Lauter solche Sachen. Aber er war an einem Ort, wo er mich nicht betrügen konnte. Es war eine Erleichterung, keinen Sex zu haben, sich weder mit der eigenen Verletzlichkeit noch mit der Möglichkeit zu konfrontieren, es könnte wirklich Liebe sein. »Du bist für mich die leichtere Alternative«, erklärte ich ihm einmal in der Anfangsphase unserer Beziehung.
Natürlich wunderte er sich. Wie konnte eine weiße Mittelschichtstussi aus Ann Arbor der Meinung sein, dass ein schwarzer Typ, der im Gefängnis saß, für sie die leichtere Alternative war?
»Na ja, ich muss mir keine Sorgen machen, dass du mich betrügst. Und ich muss mich auch nicht ständig fragen, ob es mit uns wirklich funktioniert. Das finde ich wesentlich einfacher – und auch ein bisschen feige von mir«, schrieb ich ihm in einem Brief.
»Aber ich bin auch in einen Bereich geraten, in dem ich mich nicht auskenne, und das verunsichert mich. Ich hätte nie gedacht, dass mir so was passiert. Dass ich mich mit jemandem aus einer ganz anderen Welt so verbunden fühle, als wären wir irgendwo, irgendwann mal eine Seele gewesen. Ich fühle mich offen, ungeschützt. Bei anderen Leuten geht mir das nicht so, nur mit dir. Deshalb kannst du mir sehr wehtun. Genau genommen könntest du mich zerstören.«
Ich hatte keine Ahnung, wie das alles weitergehen sollte, und antwortete: »Erwarte nicht von mir, dass ich die ganze Zeit zu Hause herumsitze und Keyboard spiele. Ich will auch mit meinen Freunden rumhängen.«
»Na klar. Ich tu ja auch, was ich muss. Aber ich möchte nicht irgendwann mitkriegen, dass du mit einem anderen Mann zusammen bist.«
Das muss ich im Gedächtnis behalten. Anfangs war er für mich eine sichere Bank. Aber ich nicht für ihn. Und es ging nie um Sex. Nicht wirklich. Niemals. Sex hat uns einfach nur noch näher zusammengebracht. Und mit ihm war es, als würden sich unsere Körper schon immer kennen und kämen endlich nach Hause.
Als ich Aaron gesagt habe, dass ich schwanger war, hat er mich gebeten, ihn zu heiraten. Ich war siebzehn und noch in der Highschool.
»Ich möchte das, was zwischen uns läuft, nicht mit irgendwelchen Erwartungen verderben«, sagte ich.
»Möchtest du meine Baby-Mama sein, oder möchtest du meine Frau sein?«
»Ich möchte meine eigene Baby-Mama sein.« Ich wollte mich nicht von jemandem abhängig machen. Ich wollte mir auch nicht einbilden, dass unsere Beziehung ewig halten würde.
Daran denke ich, während ich für meine Schwester Klamotten einpacke, daran denke ich, als ich mit Levy, der auf dem Rücksitz fest schläft, im Auto sitze und nach Vegas fahre. Ich muss im Gedächtnis behalten, wer Aaron ist, was er mir wirklich bedeutet, denn bei unserem Auftritt in Vegas stehen sechs Dutzend orange Rosen in meiner Garderobe. Mit lauter unterschiedlichen Karten: Wünsch dir ein super Konzert. Denk an dich. Meine Unberechenbare. Ich bin bereit, und du? Freu mich auf deine Musik. Du hast’s drauf. Was kommt als Nächstes? Auf keiner der Karten hat King unterschrieben. Er weiß, dass ich weiß, von wem sie kommen.
Als Aaron die Blumen sieht, kneift er argwöhnisch die Augen zusammen. »Was hast du ihm gesagt?«
»Das weißt du doch, oder? Ich hab’s dir doch erzählt.«
Levy kommt angerannt und schlingt seine Arme um meine Beine. »Mommy, Mommy.« Ich hebe ihn hoch, drücke ihn an mich und atme seinen Geruch ein. »Schmetterling!«, ruft er und kitzelt mich mit seinen langen Wimpern an der Wange. Ich wickle mir seine weichen Locken um den Finger.
Aaron schüttelt den Kopf. »Was geht da ab?«, fragt er, macht eine ausladende Geste über meine blumengeschmückte Garderobe, deutet dann auf mich, auf Levy und schließlich auf sich selbst. »Willst du das alles aufs Spiel setzen?«
»Ich hab nichts getan.« Mit Levy auf der Hüfte stehe ich da, die Finger in seinen Haaren. Breitbeinig, fest verankert halte ich Aarons durchdringendem Blick stand. »Sei nicht paranoid.«
In dem ganzen Trubel nach dem Konzert redet Aaron in der Ecke mit einer von den Frauen, die sich an ihn ranschmeißen wollen, steht ganz dicht neben ihr, und sie steckt die Hand in seine Hosentasche. Jep. Ich seh es
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