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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apfelblüten im August
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schwankt. Drei Fahrzeuge, unsere kleine Karawane. Dann entdecken wir die ersten Schilder für den Grand Canyon. Weiße Kühe wandern auf der Ebene herum, über ihnen zerklüftete Berghänge.
    Eine Weile später sagt Allie: »Aber deine Mom kommt zurecht. Gut sogar. Und mit Jim hat sie endlich den richtigen Mann gefunden, glaube ich.«
    »Hat fast zwanzig Jahre gedauert.«
    »Es muss nicht immer so lange dauern, aber man braucht durchschnittlich siebenundzwanzig Jahre, um den Tod eines Menschen zu betrauern, der einem wichtig war. Stell dir das mal vor. Zum Glück lebt man parallel das eigene Leben weiter.
    Ich sage nichts dazu, sondern schaue nur hinaus auf die rote Erde und die knorrigen, staubigen Bäume. Keine Ahnung, woher Allie immer diese Statistiken hat. Vielleicht aus Psychology Today . Irgendjemand hat mir mal gesagt, dreiundvierzig Prozent aller Statistiken wären gelogen. Vielleicht aber auch nicht.
    »Aber wir müssen trauern«, sagt Allie.
    Ich möchte, dass sie aufhört zu reden, deshalb antworte ich nicht.

6
    Die ganze Nacht
    Tara
    I ch bringe Levy ins Bett wie immer, lese ihm Hiawatha vor und singe All Through the Night, aber mit meinem eigenen Text.
    Und dann fängt er mit seinem eigenen Lied an. Wir singen zusammen. Es ist nicht die gleiche Melodie wie meine von früher – von der ich nichts wusste, bis Mom mir neulich von ihr erzählt hat. Nicht »Ah oh ah oh«, sondern »La di la di«. Er fängt also mit seiner Trostmusik an, und ich singe mit. Gemeinsam singen wir »La di la di«, und kurz bevor er einnickt, lege ich ihn ins Bett und küsse ihn sanft auf die Stirn. Seine seidigen Locken kitzeln meine Wange. Dann stehe ich neben ihm, seine Brust ist ganz warm, seine Stimme wird leiser, meine passt sich an, bis wir beide verstummen.
    Mom erzähle ich nichts davon. Wir sind, wer wir sind, daran kann niemand von uns etwas ändern, und vielleicht ist es genug, dass ihr mein Lied damals aufgefallen ist und dass sie sich daran erinnert hat. Levy und ich finden beide Trost und Ruhe in unserer Liebe zur Musik. Mom hatte diese selbstverständliche Beziehung zu Sky. So viel hängt davon ab, wie die Gene sich verteilen. Und was den Eltern unterwegs passiert. Ich meine, man gestaltet ja nicht seine eigene Kindheit. Das Leben ist voller Überraschungen aller Art.
    Das habe ich von Sky gelernt, von der plötzlichen Veränderung in unser aller Leben, die Troys Tod bewirkt hat. Ich kann immer noch nicht glauben, dass er endgültig fort ist. Manchmal will ich ihn anrufen, wie ich es gelegentlich getan habe, wenn er auf der Arbeit war, denn das Reden fiel mir bei ihm immer leichter als bei Sky. Meine Beziehung zu Sky wurde dadurch sogar einfacher. Aber jetzt frage ich mich, wie sich die Dinge zwischen uns entwickeln werden. Als ich ihr beim Packen geholfen habe, hat sie mich angegriffen, aber ich hab meinen Stolz runtergeschluckt und Verständnis für ihre Situation gezeigt. Hat sie sich geärgert, weil ich ausnahmsweise mal in der Position war, ihr zu helfen? Ich weiß nicht, ob aus ihrer Trauer inzwischen vielleicht Selbstmitleid geworden ist.
    Keine gute Tat bleibt ungestraft, denke ich, während ich Levys sanftem Atem lausche.
    In dieser Nacht kommt Aaron zu mir, und wir schlafen miteinander, sanft und langsam. Von Anfang an ist da eine besondere Intensität, wohl wegen der Bedrohung, die von King und Aarons Flirt ausgeht. Obwohl das Licht gedämpft ist, schauen wir uns unverwandt in die Augen, beobachten jede flüchtige Regung, die in ihnen aufleuchtet. So bewegen wir uns, bis ich das Gefühl bekomme, dass wir ewig weitermachen könnten, dass wir wieder mit der Bewegung des Universums verbunden sind.
    Kurz bevor wir aufhören, sagt er: »Ich dachte immer, Sex ist einfach nur Sex. Aber es ist … ich finde das richtige Wort nicht … es ist spirituell, mystisch. Als würden wir gemeinsam meditieren.«
    »Was du sagst, beschreibt genau mein Gefühl«, antworte ich.
    »Wir sind so richtig füreinander, dass es schon fast unheimlich ist«, flüstert er dicht an meiner Wange.
    Danach liege ich da, den Kopf auf seiner Schulter, er hat den Arm um mich gelegt, und irgendwann schläft er ein. Er sieht so schön aus, das Gesicht den Träumen geöffnet. Nichts, was so gut ist, kann von Dauer sein. Doch das habe ich schon früher gedacht, und es wird trotzdem immer besser.
    Kurz bevor auch ich einschlafe, denke ich: Wann werde ich es vermasseln? Der Gedanke hat die Stimme meines Vaters. Ich weiß genau, wie das geht.

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