Ann Pearlman
bemüht sich, das merke ich genau.
»Okay«, antwortet Rachel grinsend.
»Sehen wir mal, wie lange ihr die Luft anhalten könnt.« Wir pumpen unsere Lungen mit Luft voll und tauchen unter. Ich öffne die Augen und sehe die Kinder unter Wasser treiben, beide halten mich an den Händen. Levy hat die Augen fest geschlossen, seine Shorts bauschen sich um seine dünnen Beinchen. Rachel umklammert meine Hand, und ihre Haare wabern in der Strömung um sie herum. Als Erster hebt Levy den Kopf. Dann ich, obwohl ich noch jede Menge Luft in Reserve habe. Schließlich taucht auch Rachel wieder auf. »Gewonnen!«, grinst sie.
Inzwischen verstehe ich ihre Aussprache fast mühelos.
»Ein Hoch auf Rachel!«, rufe ich.
»Noch mal«, sagt Levy.
Wir wechseln uns ab mit dem Gewinnen.
7
Wie man blindlings die eigene Familie tötet
Sky
R achel geht es gut. Aber es war so verdammt knapp, fast hätte ich meine Tochter verloren, meine über alles geliebte Rachel. Ich zittere immer noch bei dem Gedanken und frage Allie und Brooke um Rat, ob ich mit Rachel vielleicht zum Arzt sollte. Allie stellt Rachel ein paar Fragen, und Brooke hält es für das Beste, sie einfach im Auge zu behalten. Allem Anschein nach geht es ihr gut. Für dieses Mal ist die Tragödie abgewendet. Katastrophen lauern überall, denke ich, als ich in mein Auto steige und mich auf den Beifahrersitz setze. Smoke schiebt den Fahrersitz zurück und steckt den Schlüssel ins Zündschloss. »Wohin?«
Per GPS suche ich einen K-Mart oder einen Wal-Mart, und als die Wegbeschreibung auf meinem Smartphone erscheint, zeige ich sie ihm.
Er wirft einen kurzen Blick darauf und meint: »Ist ja gleich um die Ecke.« Dann fährt er aus dem Motel-Parkplatz, als hätte er den Stadtplan schon im Kopf.
Ich habe einen ziemlich schlechten Orientierungssinn. Schon früher, als Troy noch bei mir war, hatte ich immer Angst, mich zu verirren. Deshalb habe ich ein Navi in meinem Auto und auf meinem Handy. Netz und doppelter Boden.
»Du hast ungewöhnliche Augen«, sage ich zu Smoke.
»Du auch«, antwortet er und biegt nach rechts ab. Dann fährt er die Hauptstraße entlang. Vor einer roten Ampel halten wir an. »Bei mir liegt es nur daran, dass man blaue Augen selten bei Leuten findet, die so schwarz sind wie ich.«
Ich schweige. Meine Bemerkung sollte kein Kommentar über seine Rasse sein, aber jetzt weiß ich nichts mehr zu sagen. Tatsächlich ist seine Haut sehr schwarz, was man in den USA selten findet, vor allem in der Kombination mit blauen Augen. Dann wird die Ampel grün, und wir fahren wieder los.
Smoke fummelt am Radio herum. »Magst du Country?«, fragt er. Mit seinen Prankenfingern dreht er erstaunlich grazil an den Knöpfen und justiert die Lautstärke.
»Manchmal. Aber hauptsächlich höre ich R&B und Rock.«
»Dann magst du Rap also nicht besonders?«
»Ich finde die Texte oft so materialistisch und sexistisch.«
»Das liegt an der gegenläufigen Natur der Rap-Kultur. Da geht es darum, aus dem Schlechten irgendwie was Gutes zu machen – das gleiche Prinzip, wie wenn man Schweinekutteln als Delikatesse kocht. Wir machen was Neues draus, machen es uns zu eigen, statt uns das Maul stopfen zu lassen.« Er sagt das ganz ruhig, mit sanfter Stimme, obwohl der Inhalt seiner Bemerkung alles andere als sanft ist.
Ich schaue wieder hinaus auf die struppigen Bäume zwischen den typischen Geschäften, Großmärkten und Schnellrestaurants, die samt ihrem jeweiligen Parkplatz an uns vorüberziehen.
»Magst du Country und R&B ?«-Konversation ist sehr anstrengend für mich.
»Ich mag alle Musik. Hör mal, was du vorhin gesagt hast, stimmt nicht. Das solltest du wissen.«
»Was meinst du?«
»Na das, was du über die Drogen und so gesagt hast. Ich nehme keine harten Drogen, keiner von uns tut das.« Er zuckt die Achseln, wobei seine Schulter und sein Arm rotieren. »Wir machen so was nicht, wir haben viel zu viel zu verlieren.« Er sieht mich an. »Weißt du, Red Dog hat gesehen, wie das Zeug seine Mom und seinen Pop kaputtgemacht hat, das waren super bittere Erfahrungen. Wir sind der Bodensatz, in Detroit aufgewachsen. Du weißt ja, dass Special im Knast war, also glaub bloß nicht, dass der sich in was reinziehen lässt, womit er unsere Träume zerstören würde. Die Freiheit und das Leben sind viel zu kostbar. Wenn du hörst, was wir singen, ich meine, wenn du wirklich zuhörst, dann weißt du das. Wahrscheinlich klinge ich jetzt schon wie so ein New-Age-Heini, obwohl ich
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