Anna Karenina - Vollständige Ausgabe (German Edition)
Bekassinen war bei Ljewin so stark, daß ihm das Schmatzen seines Stiefelabsatzes, wenn er ihn aus dem Morast herauszog, wie der Schrei einer Bekassine klang und er jedesmal nach dem Kolben seines Gewehres griff und ihn fest in die Hand drückte.
Piff! Paff! ertönte es über seinem Ohr. Wasenka hatte auf einen Schwarm Enten geschossen, der über dem Sumpf kreiste und in diesem Augenblick, aber noch weit außer Schußweite, auf die Jäger zugeflogen kam. Ljewin hatte noch nicht Zeit gehabt, danach zu blicken, als eine Bekassine schmatzte, dann eine zweite, eine dritte; und so flogen noch etwa acht Stück eine nach der anderen auf.
Stepan Arkadjewitsch traf eine gerade in dem Augenblick, als sie sich anschickte, ihre Zickzacklinien zu beginnen, und die Bekassine fiel wie ein Klümpchen in den Morast. Ohne Hast zielte er dann nach einer zweiten, die noch niedrig nach dem hohen Riedgras hin flog, und zugleich mit dem Knall des Schusses fiel auch diese Bekassine herunter, und man konnte sehen, wie sie aus dem gemähten Ried aufhüpfte und mit dem einen unverletzt gebliebenen, auf der Unterseite weißen Flügel um sich schlug.
Ljewin hatte nicht soviel Glück; er schoß auf die erste Bekassine aus zu großer Nähe und fehlte sie; dann legte er auf sie an, als sie bereits anfing aufzusteigen; aber in diesem Augenblick flog noch eine ihm dicht vor den Füßen auf und beirrte ihn, und er tat einen zweiten Fehlschuß.
Während sie die Flinten von neuem luden, flog noch eine Bekassine auf, und Weslowski, der schon mit dem Laden fertig war, schickte noch zwei Ladungen feines Schrot ins Wasser. Stepan Arkadjewitsch suchte seine Bekassinen zusammen und blickte Ljewin mit freudestrahlenden Augen an.
»Nun, dann wollen wir uns jetzt trennen«, sagte Stepan Arkadjewitsch, pfiff seinem Hunde und ging, mit dem linken Bein ein wenig hinkend und das Gewehr bereithaltend, nach der einen Seite. Ljewin und Weslowski gingen nach der andern.
Es ging Ljewin immer so: wenn ihm die ersten Schüsse mißglückt waren, wurde er hitzig, ärgerte sich und schoß den ganzen Tag schlecht. So war es auch an diesem Tage. Bekassinen wurden in großer Menge sichtbar. Vor dem Hunde und vor den Füßen der beiden Jäger flogen sie unaufhörlich auf, und Ljewin hätte die Möglichkeit gehabt, den üblen Anfang wiedergutzumachen; aber je mehr er schoß, um so mehr blamierte er sich vor Weslowski, der in Schußweite und außer Schußweite lustig drauflos feuerte, nichts traf und sich in keiner Weise dadurch in Aufregung versetzen ließ. Ljewin überhastete sich, zielte nicht ordentlich, wurde immer hitziger und kam bald so weit, daß er, wenn er schoß, kaum noch hoffte, daß er etwas treffen werde. Auch Laska schien das zu durchschauen. Sie fing an, lässiger zu suchen und blickte die Jäger wie verwundert und vorwurfsvoll an. Schuß folgte auf Schuß. Der Pulverdampf bildete um die Jäger herum eine Wolke; aber in dem großen, geräumigen Netze der Jagdtasche befanden sich nur drei leichte, kleine Bekassinen. Und von diesen hatte eine Weslowski geschossen, und eine war gemeinsame Beute. Unterdessen erschollen auf der andern Seite des Sumpfes von Stepan Arkadjewitsch zwar nicht allzu häufige, aber, wie es Ljewin vorkam, bedeutungsvolle Schüsse, und dazu ertönte fast nach jedem Schusse der Ruf: »Crack, Crack, apport!«
Dadurch wurde Ljewin immer noch mehr aufgeregt. Die Bekassinen kreisten unaufhörlich in der Luft über dem Ried. Ihr Schmatzen am Boden und ihr Krächzen in der Höhe ließen sich, ohne einen Augenblick zu verstummen, von allen Seiten hören; die Bekassinen, die sich bei Beginn der Jagd erhoben hatten und dann in der Luft umhergeflogen waren, ließen sich wieder vor den Jägern nieder. Statt der zwei Habichte kreisten jetzt Dutzende kreischend über dem Sumpf.
Nachdem Ljewin und Weslowski die größere Hälfte des Sumpfes durchwandert hatten, kamen sie zu der Stelle, wo sich die Wiese in langen Streifen bis an den Sumpf heranzog. Sie war auf Teilung an Bauern verpachtet und teils durch eingetretene Striche, teils durch ausgemähte schmale Bänder abgeteilt. Die Hälfte dieser Streifen war bereits gemäht.
Obgleich wenig Hoffnung war, auf dem gemähten Gebiet so viel zu finden wie auf dem ungemähten, so hatte Ljewin doch Stepan Arkadjewitsch versprochen, mit ihm zusammenzutreffen, und ging daher mit seinem Genossen weiter durch die abgemähten und noch nicht abgemähten Streifen
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