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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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einen Groll auf diesen
    unglücklichen Rjabinin.«
    »Das kann schon sein. Aber weißt du auch, warum? Du wirst wieder sagen, daß ich ein Reaktionär oder sonst etwas
    Schreckliches bin; aber trotzdem muß ich sagen: es ärgert und schmerzt mich, diese allerwärts sich vollziehende
    Verarmung des Adels mit anzusehen, zu dem ich doch auch gehöre, eine Zugehörigkeit, über die ich trotz der
    Verschmelzung der Stände sehr froh bin. Und diese Verarmung ist nicht die Folge üppigen Lebens. Das wäre noch nicht
    so schlimm; in Herrenart zu leben, das ziemt dem Adel, und das verstehen auch nur die Edelleute. Jetzt kaufen hier
    in unserer Gegend Bauern Land zusammen; das geht mir weiter nicht zu Herzen: der Herr ergibt sich dem Nichtstun,
    der Bauer arbeitet und verdrängt den Müßiggänger. Das muß so sein. Und ich habe meine Freude an den strebsamen
    Bauern. Aber es wurmt mich, mit anzusehen, wie diese Verarmung oft durch eine gewisse – ja, ich weiß nicht recht,
    wie ich es nennen soll –, durch eine gewisse Harmlosigkeit herbeigeführt wird. Hier hat ein polnischer Pächter von
    einer Dame, die in Nizza lebt, ein wundervolles Gut für den halben Preis gekauft. Da verpachtet jemand einem
    Händler Land für einen Rubel die Deßjatine, wo zehn Rubel der richtige Preis wäre. Und du hast hier ohne jeden
    Anlaß einem Spitzbuben sechzigtausend Rubel geschenkt.«
    »Was soll man denn manchen? Soll man etwa jeden Baum zählen?«
    »Unbedingt muß man das tun. Siehst du, du hast nicht gezählt, und Rjabinin hat gezählt. Rjabinins Kinder werden
    die Mittel zum Leben und zu ihrer Ausbildung besitzen, und die deinigen vielleicht nicht.«
    »Na, nimm es mir nicht übel, aber es liegt doch etwas Armseliges in dieser Rechnerei. Wir haben unsere Tätigkeit
    und diese Leute die ihrige, und sie müssen davon ihren Vorteil haben. Übrigens ist ja die Sache erledigt, also
    Schluß damit! – Sieh mal an, es gibt Spiegeleier; in dieser Form esse ich die Eier am allerliebsten. Und Agafja
    Michailowna gibt uns gewiß auch von diesem wundervollen Kräuterschnaps.«
    Stepan Arkadjewitsch setzte sich an den Tisch und begann mit Agafja Michailowna seine Späßchen zu machen, indem
    er ihr versicherte, ein solches Mittag-und ein solches Abendessen habe er lange nicht gehabt.
    »Na ja, Sie loben einen wenigstens«, sagte Agafja Michailowna, »aber Konstantin Dmitrijewitsch, der ißt alles,
    was man ihm vorsetzt, und wenn es eine Brotrinde wäre; das ißt er und geht davon.«
    Wie sehr sich Ljewin auch bemühte, seiner Verstimmung Herr zu werden, er blieb finster und schweigsam. Er hätte
    gern seinem Gaste eine Frage vorgelegt, aber er vermochte sich nicht dazu zu entschließen und fand weder die
    passende Form noch den geeigneten Zeitpunkt, wie und wann er es tun könnte. Stepan Arkadjewitsch war bereits in
    sein Zimmer hinuntergegangen, hatte sich ausgezogen, sich nochmals gewaschen, das gemusterte Nachthemd angelegt und
    sich zu Bett gelegt; aber Ljewin war noch immer bei ihm, zögerte, das Zimmer zu verlassen, redete von allerlei
    gleichgültigen Dingen und brachte es nicht fertig, die Frage auszusprechen, die ihm so wichtig war.
    »Was für wundervolle Seife doch jetzt hergestellt wird«, sagte er, während er ein Stück parfümierte Seife, das
    Agafja Michailowna dem Gaste hingelegt, dieser aber nicht benutzt hatte, betrachtete und hin und her wendete. »Sieh
    nur mal, das ist doch ein wahres Kunstwerk!«
    »Ja, man hat es jetzt auf allen Gebieten zur höchsten Vollkommenheit gebracht«, erwiderte Stepan Arkadjewitsch
    und gähnte kräftig und behaglich. »Zum Beispiel die Theater und die Vergnügungslokale ... aaah!« gähnte er.
    »Überall elektrisches Licht ... aah!«
    »Ja, das elektrische Licht!« sprach ihm Ljewin nach. »Ja. – Wo ist denn Wronski jetzt?« fragte er plötzlich und
    legte die Seife hin.
    »Wronski?« versetzte Stepan Arkadjewitsch und hörte auf zu gähnen. »Der ist in Petersburg. Er ist bald nach dir
    abgereist und seitdem kein einziges Mal wieder in Moskau gewesen. Und weißt du, Konstantin, ich will dir die
    Wahrheit sagen«, fuhr er fort, indem er sich mit dem Ellbogen auf das Nachttischchen stützte und sein hübsches,
    rotbackiges Gesicht, aus dem die feucht schimmernden, gutmütigen, schläfrigen Augen wie Sterne herausleuchteten, in
    die Handfläche legte. »Du bist selbst schuld gewesen. Du hast dich von deinem Nebenbuhler ins Bockshorn jagen
    lassen. Ich meinerseits – das habe ich dir schon

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