Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
Vom Netzwerk:
sinkt und daß es bei unserem Verhältnisse zu den Arbeitern unmöglich ist,
    mit Vorteil eine rationelle Wirtschaft zu führen, das ist vollkommen richtig.«
    »Das kann ich nicht finden«, versetzte Swijaschski, und zwar jetzt ganz ernsthaft. »Ich sehe nur, daß wir nicht
    verstehen, Landwirtschaft zu treiben, und bin im Gegensatze zu dem, was vorhin behauptet wurde, der Ansicht, daß
    der Wirtschaftsbetrieb, wie er zur Zeit der Leibeigenschaft üblich war, nicht etwa auf einer sehr hohen, sondern
    auf einer sehr niedrigen Stufe stand. Wir haben keine Maschinen und keine ordentlichen Arbeitstiere und keine
    richtige Verwaltung, und wir verstehen auch nicht zu rechnen. Wenn sie einen Landwirt fragen, so weiß er nicht, was
    für ihn vorteilhaft und was unvorteilhaft ist.«
    »Wir könnten ja die italienische Buchführung lernen«, sagte der Gutsbesitzer ironisch. »Aber man mag da rechnen,
    soviel man will, wenn die Leute einem alles verderben, kommt doch kein Gewinn heraus.«
    »Warum sollten sie denn alles verderben? Ein elendes Ding von Dreschmaschine oder eine russische Stampfe, die
    machen sie entzwei; aber meine Dampfdreschmaschine, die werden sie nicht entzweimachen. So eine jämmerliche Mähre –
    wie pflegen sich doch die Leute auszudrücken? Echt Knutehner Schlag, weil sie ohne einen Schlag mit der Knute sich
    nicht rührt – die werden sie Ihnen verderben. Aber wenn Sie Percherons einführen oder sonst eine kräftige Sorte von
    Arbeitspferden, die werden sie Ihnen nicht verderben. Und so steht es mit allem. Wir müssen die Landwirtschaft
    heben.«
    »Wenn man nur wüßte, wo man das Geld dazu hernehmen soll, Nikolai Iwanowitsch! Sie sind gut dran; aber ich habe
    einen Sohn auf der Universität zu unterhalten und die kleineren Knaben auf dem Gymnasium; da kann ich mir keine
    Percherons kaufen.«
    »Dafür sind die Banken da.«
    »Damit das letzte, was man hat, unter den Hammer kommt? Nein, dafür danke ich.«
    »Ich bin nicht Ihrer Ansicht, daß es nötig und möglich wäre, die Landwirtschaft noch mehr zu heben«, sagte
    Ljewin. »Ich habe das mit Eifer betrieben und besitze auch die nötigen Geldmittel; aber trotzdem habe ich nichts
    ausrichten können. Die Banken – ja, ich weiß nicht, wem die von Nutzen sind. Ich für meine Person habe, sooft ich
    für irgendeinen Zweck in der Wirtschaft Geld aufwendete, immer nur Schaden gehabt: beim Vieh Schaden, bei den
    Maschinen Schaden.«
    »Ja, ja, das ist richtig!« bekräftigte der Gutsbesitzer mit dem grauen Schnurrbart und lachte dabei ordentlich
    vor Vergnügen.
    »Und ich bin nicht der einzige, der diese Erfahrung macht«, fuhr Ljewin fort. »Ich berufe mich auf alle
    Landwirte, die eine rationelle Wirtschaft führen; alle, mit seltenen Ausnahmen, wirtschaften sie mit Schaden. Nun,
    sagen Sie selbst, ist denn Ihre Wirtschaft gewinnbringend?« fragte Ljewin und bemerkte sofort in Swijaschskis Blick
    jenen plötzlichen Ausdruck von Angst, den er immer wahrnahm, wenn er in Swijaschskis Geist weiter als bis in die
    Empfangszimmer eindringen wollte.
    Übrigens war diese Frage Ljewins nicht ganz frei von Hinterlist. Die Hausfrau hatte ihm soeben erst beim Tee
    erzählt, sie hätten sich in diesem Sommer aus Moskau einen der Buchführung kundigen Deutschen kommen lassen, der
    ihnen gegen eine Gebühr von fünfhundert Rubeln ihre ganze Wirtschaft berechnet und gefunden habe, daß sie einen
    Verlust von etwas über dreitausend Rubeln bringe. Ganz genau hatte sie diese Zahl nicht im Kopfe; aber der Deutsche
    hatte es, wie sie sagte, bis auf eine Viertelkopeke ausgerechnet.
    Der Gutsbesitzer lächelte, als Ljewin sich nach dem Ertrag von Swijaschskis Wirtschaft erkundigte; er mochte
    wohl wissen, wie es mit dem erzielten Gewinn bei seinem Nachbar, dem Adelsmarschall, stand.
    »Es mag sein, daß sie nicht gewinnbringend ist«, antwortete Swijaschski. »Aber das beweist nur, daß ich entweder
    ein schlechter Landwirt bin, oder daß ich Kapital aufwende, um die Rente zu erhöhen.«
    »Ach, die Rente!« rief Ljewin ganz entsetzt. »Vielleicht gibt es in Europa eine Rente, wo der Boden durch die
    hineingesteckte Arbeit besser geworden ist; aber bei uns wird der ganze Boden durch die hineingesteckte Arbeit nur
    schlechter, das heißt man mergelt ihn aus; also ist von Rente nicht die Rede.«
    »Wie sollte es denn keine Rente geben? Das ist ein unumstößliches Gesetz.«
    »Dann stehen wir eben außerhalb dieses Gesetzes. Durch den Hinweis auf die Rente kann bei uns

Weitere Kostenlose Bücher