Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
Was für Zauber sie wirken können. Und ich brauche die Information bis heute Abend.«
Er funkelt mich mit finsterem, durchdringendem Blick an. »Was passiert heute Abend?«
»Ich muss mich mit einem Werwesen treffen. Geschäftlich.«
»Was um alles in der Welt solltest du geschäftlich mit einem Werwesen zu schaffen haben?«
Frey und ich konnten früher die Gedanken des jeweils anderen lesen, so wie ich es bei Vampiren kann. Das ist vorbei, seit ich ihn dummerweise einmal gebissen und von ihm getrunken habe – dadurch ist diese Verbindung abgerissen. Ich sehe ihm an, wie sehr er sich gerade wünscht, er könnte einfach in meinen Kopf schauen und mir die Information auch gegen meinen Willen entlocken.
Außerdem sehe ich in seinem Blick tiefe Besorgnis und die wachsende Erkenntnis, dass er mich möglicherweise irgendwie davon abhalten könnte.
»Frey«, sage ich und schüttele warnend den Kopf.
»Du kannst das nicht verhindern. Versuch es gar nicht erst. Keine Tricks. Ich weiß, du glaubst, du könntest mich dadurch beschützen, aber glaub mir: Falls du versuchen solltest, dieses Treffen zu verhindern, werde ich sehr böse sein. Mehr als böse. Stinksauer. Und wir wissen beide, dass das gar nicht gut wäre.«
Er starrt mich weiterhin an, während seine innerliche Diskussion offenbar weiterläuft. Auch er besitzt die Fähigkeit, Zauber zu wirken. Das habe ich am eigenen Leib erfahren, als er mich vor einiger Zeit mit einem belegt hat. Aber seit diesem Erlebnis weiß ich, dass er beim Objekt seines Zaubers sein und es unter Kontrolle halten muss, um den Zauber zu bewirken. Wenn er also nicht vorhat, den ganzen Tag und Abend an mir zu kleben, kann er vermutlich nichts tun, um mein Treffen mit Sandra zu verhindern.
Trotzdem. »Wenn du mir helfen willst, lass mich in deine Bücher schauen und herausfinden, wie ich mich schützen kann. Wäre das nicht viel sinnvoller?«
Die interne Debatte ist beendet. Seine Miene ist immer noch besorgt, aber er öffnet mir die Tür. Sein Kleidungsstil ist nicht das Einzige, was sich verändert hat.
Bei meinem letzten Besuch hier war der Einrichtungsstil minimalistisch, um es höflich auszudrücken – Wände, Teppich, Möbel, alles hatte die gleiche Farbe: grau. Es gab keine Bilder an den Wänden, keinen Nippes auf den Tischen, nicht ein einziges Buch auf dem glatten Marmorblock, der als Couchtisch dient.
Das war einmal.
Jetzt beleben bunte Kunstwerke die Wände – plakative Landschaften in breiten Pinselstrichen, grün und gelb und rot. Die Möbel sind umgeräumt und stehen nicht mehr symmetrisch angeordnet, sondern zusammengerückt vor dem offenen Kamin.
Bunte Kissen häufen sich darauf und fließen auf den Boden über. Ein Stapel Bücher und ausgebreitete Zeitschriften drängen sich um einen gewaltigen Strauß violetter Lilien auf dem gleichen marmornen Couchtisch.
Ich brauche einen Moment, um das alles in mich aufzunehmen.
»Wow«, sage ich und drehe mich zu Frey um. »Wenn du umdekorierst, machst du nicht bloß mit ein paar Akzenten herum, was?«
»Nein, mit der Innenarchitektin.«
Die Stimme hinter mir erschreckt mich, und ich fahre herum. Ich habe sie nicht kommen hören, habe ihre Anwesenheit nicht gespürt. Sie muss von draußen gekommen sein, vom Balkon. »Was sind Sie, eine Katze?«
Sie lächelt. »Entschuldigung. Ich hätte etwas Lärm machen sollen.«
Frey geht um mich herum und stellt sich neben die Frau. Sie ist groß, nur ein, zwei Fingerbreit kleiner als er mit seinen eins achtzig, und gertenschlank. Das hellbraune Haar ist zurückgebunden. Ihre kühlen blauen Augen sind sorgsam verschlossen, während sie mich ansieht. Sie ist hübsch, aber nicht auf sanfte Art – eher Stahl in Samt gehüllt.
Sie trägt einen Pyjama, der zu Freys passt – nur ist ihrer rosa mit kleinen schwarzen Kätzchen – und, ach ja, da sind noch zwei gewaltige Unterschiede: Ihr Oberteil ist tief ausgeschnitten und enthüllt den Ansatz ihrer Brüste, und die Hose sitzt so tief auf den Hüften, dass sie einen Streifen straffen, gebräunten Bauch frei lässt. Sie braucht auch keinen Bademantel. Sie ist die Unanständigkeit in Person.
Frey erscheint mir jetzt in einem anderen Licht. Er und ich hatten Sex. Einmal. Es war verdammt gut, aber wenn das hier Freys Freundin ist, muss er noch andere verborgene Talente besitzen, die er mir nicht gezeigt hat.
Sie beobachtet mich, und ein leichtes Lächeln umspielt ihre vollen Lippen. Da trifft es mich wie ein Schlag. Sie liest meine
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