Anna Strong Chronicles 04 - Der Kuss der Vampirin
Leitung. Es war ihm unangenehm, dass ich Williams’ Motive dafür, mich im Dunkeln zu lassen, hinterfragt habe. Nicht, dass das eine Rolle spielen würde. Ich weiß, was ich zu tun habe.
»Sind alle Werwölfe damit infiziert?«
»Das weiß ich nicht genau«, antwortet Frey. Er klingt erleichtert über den Themenwechsel. »Am besten gehst du davon aus, dass es so ist. Die einzigen Berichte, die wir über Werwolfbisse haben, sind Todesfälle. Es gibt keinen einzigen Bericht über einen Vampir, der einen Biss überlebt hätte.«
Großartig. »Sonst noch etwas, das du vergessen hast zu erwähnen?«
»Sei vorsichtig, Anna. Ich wünschte, du könntest diese Werwölfin einfach meiden, aber wenn du richtig vermutest und Avery Sandras Körper und Geist übernommen hat, wird das nicht möglich sein. Er hätte David ermordet, um das Band zwischen euch zu trennen. Er ist jetzt ebenso mächtig und rachsüchtig wie damals. Wer weiß, wen er sich diesmal als Opfer aussuchen wird, um sich an dir zu rächen?«
Kapitel 55
Nachdem ich aufgelegt habe, brauche ich einen Moment, um mich aus meiner Starre zu lösen. Ich nehme es Frey übel, dass er mir nicht einfach alles gesagt hat, als ich bei ihm war, statt mir nur das verflixte Buch zu geben, und Williams nehme ich es übel, dass er mich in das Treffen mit Sandra hat hineinlaufen lassen, ohne mich zu warnen. Diese Bitterkeit muss ich erst einmal schlucken. Am liebsten würde ich Williams anrufen und ihn damit konfrontieren, denn ich halte es nicht für möglich, dass er nichts von dem Gift gewusst haben könnte.
Die Frage ist nur, warum er mir nichts davon sagen wollte. Er sucht ständig nach einer Möglichkeit, mich wieder in seine Organisation hineinzuziehen. Oder mir Angst einzujagen.
Ich schleppe mich nach oben und unter die Dusche, wobei mir vor Fragen immer noch der Kopf schwirrt.
Williams könnte es mir aus anderen Gründen verschweigen wollen. Da gibt es einen besonders schrecklichen Grund.
Frey hat eine sehr wichtige Frage gestellt: Wenn es tatsächlich Avery ist, wen könnte er sich als nächstes Opfer aussuchen, um sich an mir zu rächen? Er hatte sich schon David geholt. Wäre meine Familie als Nächstes dran? Würde Williams das möglicherweise wissentlich geschehen lassen? Könnte er das als Chance ansehen, meine Bindung an die Menschheit endlich zu zertrennen? Oder könnte es sein, dass Williams unseren ständigen Streit satt hat und mich ein für alle Mal loswerden will? Ganz einfach: Zulassen, dass ich mich mit einer Werwölfin einlasse, gebissen werde, und dann nur noch zuschauen, wie ich sterbe. So oder so ist sein Problem gelöst. Zu Anfang waren wir Feinde; vielleicht sind wir wieder an diesem Punkt angelangt.
Als es um neun an der Tür klingelt, bin ich geduscht und angezogen, aber alles andere als bereit. Mir ist übel wegen Williams’ Verrat und seinen möglichen Motiven, und ich weiß, dass ich ihn zur Rede stellen muss. Aber erst einmal öffne ich die Haustür und sehe David, der mit einem dümmlichen Grinsen im Gesicht auf dem Handy telefoniert. Er legt auf und steckt es in die Jackentasche.
»Tamara«, sagt er, obwohl ich gar nicht gefragt habe. »Wir haben unsere Verabredung auf vier vorverlegt. Wir fahren zur Hütte raus. Ich werde ihr etwas Tolles kochen.«
»Das ist ganz schön früh. Ich habe viel zu erledigen.«
Er blickt auf mich herab. »Du hast mir angeboten, dass du bei Gloria bleibst. Du schuldest mir was, schon vergessen?«
Scheiße. Ich hole schnell meine Jacke und Handtasche vom Sofa. Ich schulde ihm tatsächlich was.
Meine Zeitplanung hat sich eben ein bisschen beschleunigt: Jason anrufen, meinen Vater besuchen, diesen verdammten Talisman finden, ohne von einem Werwolf angegriffen und gebissen zu werden.
Mir Williams vorknöpfen. Und das alles so, dass Sandra und ihre Bande noch vor vier Uhr aus der Stadt verschwinden.
Kleinigkeit.
Kapitel 56
Charmers Autowerkstatt liegt an einer Einkaufsmeile um die Ecke vom South Bay Freeway in Chula Vista. Angesichts der bescheidenen Lage und des unscheinbaren Äußeren frage ich mich erst, ob es wirklich klug war, mein Auto dieser kleinen Werkstatt anzuvertrauen, statt es zu Jaguar zu bringen. Doch sobald wir die Fertigbauhalle betreten, sind meine Bedenken zerstreut. Arbeiter in makellosen weißen Overalls drängen sich um einen Ferrari, einen Mercedes, einen Corvette-Oldtimer und meinen Jaguar. Er steht auf einer Hebebühne, und die Vorbereitungen für die Neulackierung sind schon
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