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Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht

Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht

Titel: Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeanne C. Stein
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hassen. Natürlich hat es im Lauf des letzten Jahrhunderts viele Fortschritte gegeben. Aber Sklavenarbeit ist immer noch Sklavenarbeit, selbst wenn diese Sklaven jetzt bessere Unterkünfte und besseres Essen bekommen.« Lance dreht die Tasse in der Hand herum.
    »Meinen Geschwistern schien das nie etwas auszumachen. Ihr Leben drehte sich um den nächsten ShoppingTrip nach Europa, die nächste glamouröse Soiree. Sie haben ihren verwöhnten Haustieren mehr Aufmerksamkeit geschenkt als den Menschen, die sich halb zu Tode geschuftet haben, um ihnen diesen Lebensstil zu ermöglichen. Ich konnte es kaum erwarten, von dort wegzukommen.« Er stellt die Tasse auf den Nachttisch.
    »Ich hätte es nicht so eilig haben sollen. Ich bin von zu Hause weggelaufen, als ich siebzehn war. Nach Kapstadt. Das war im Dezember neunzehnhundertzweiundvierzig. Ein britisches Schiff auf dem Weg nach Südafrika, die HMS Ceramic, wurde westlich der Azoren von einem deutschen U-Boot torpediert. Es dauerte drei Stunden, bis sie unterging, und die Deutschen schauten dabei zu. Einen Mann retteten sie, um ihn zu verhören, aber die anderen sechshundertsechsundfünfzig ließen sie ertrinken. Die meisten Leute an Bord waren Südafrikaner auf dem Weg nach Hause.« Sein Blick wirkt wie in weite Ferne gerichtet.
    »Wie die meisten Südafrikaner war ich hell empört. Und wie die meisten idealistischen Siebzehnjährigen mit persönlichen Dämonen, gegen die sie nicht ankommen, schloss ich mich sofort dem Kampf gegen andere Dämonen an, gegen die ich kämpfen konnte. Ich trat in die südafrikanische Armee ein. Wenn ich schon nicht gegen das System meiner Eltern ankämpfen konnte, dann konnte ich verdammt noch mal Krieg gegen die Deutschen führen.«
    Ich berühre ihn am Arm. »Was haben deine Eltern getan, als sie davon erfuhren?«
    Ein bitteres Lächeln verzieht seine Mundwinkel. »Nichts. Mein Vater war der Ansicht, die Disziplin würde mir guttun. Er hat sogar stolz behauptet, er hätte mich dazu ermuntert, zum Militär zu gehen. Ziemliche Ironie, da ich der Einzige in der Familie war, der überhaupt irgendeine Art von Disziplin besaß. Aber das spielte für mich keine große Rolle. Zum ersten Mal in meinem Leben war ich nicht Broderick DeFontaine. Ich war Flieger Rick DeFontaine, und ich hatte eine Aufgabe, mit der ich allen Menschen nützen würde, nicht nur den verwöhnten Reichen.« Er greift nach seiner Tasse und geht zu dem Tisch, auf dem die Kaffeekanne steht. »Meine Schwadron war während meiner Dienstzeit an keinem Luftkampf beteiligt. Hauptsächlich haben wir die südafrikanischen Verteidigungstruppen organisiert und ausgebildet.«
    Er hebt die Kaffeekanne in meine Richtung an. Ich nicke und strecke ihm meine Tasse hin. Er schenkt ein, stellt die Kanne zurück auf die Warmhalteplatte und setzt sich wieder zu mir aufs Bett. »Ich bin nicht sicher, wie viel du über die Pläne der Deutschen im Zweiten Weltkrieg weißt. Schon sehr früh entwickelte Hitler seinen sogenannten ›Madagaskarplan‹. Sämtliche Juden Europas sollten nach Madagaskar deportiert werden.« Er schüttelt den Kopf. »Wenn es dazu gekommen wäre, hätte das vielen Menschen das Leben retten können. Aber Madagaskar war eine strategisch wichtige Insel, weshalb Mitte neunzehnhundertzweiundvierzig dort britische Truppen einmarschierten. Die Schlacht um Madagaskar fand statt, bevor ich in die Luftwaffe eintrat, aber nach dem Ende des Feldzugs wurde ich einer Luftaufklärungseinheit zugewiesen. Wir flogen Aufklärungsmissionen und hielten Ausschau nach den Japanern, die wiederum eigene Pläne für die Insel hatten. Während eines solchen Einsatzes versagte plötzlich der Motor unseres Flugzeugs. Wir stürzten in einem abgelegenen Gebiet ab. Der Pilot starb, ich nicht.«
    In seinem Tonfall schwingt die Andeutung mit, dass der Pilot vielleicht mehr Glück gehabt hat als er. Seine Gedanken sind schwarz vor Verzweiflung.
    Ich bin froh, dass du nicht umgekommen bist, Lance. Mein Leben wäre leer, wenn du damals gestorben wärst. Das musst du doch wissen.
    Er lächelt mich traurig an und wendet dann den Blick ab.
    »Schließlich fand mich eine Bauernfamilie. Ich sprach kein Madagassisch und sie kein Englisch. Sie kümmerten sich um mich, so gut sie konnten, aber ich hatte bei dem Absturz einen komplizierten Beinbruch und mehrere tiefe Schnittwunden erlitten. Eine davon hätte mich beinahe das linke Ohr gekostet. Ziemlich schnell setzte die Wundinfektion ein. Ich werde nie erfahren,

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