Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
umsehen?«
»Nicht in deiner menschlichen Gestalt. Sie rechnet sicher damit, dass jemand dort auftaucht und herumschnüffelt. Und sie weiß, dass du mein Freund bist.«
»Und als Panther?«
»Tagsüber? Wie willst du das denn anstellen?«
Ich rechne nach. Wenn wir gegen ein Uhr mittags in San Diego landen, habe ich genug Zeit, zu Culebra zu fahren und dann Frey zu treffen, ehe es dunkel wird. »Warte auf meinen Anruf. Bevor es dunkel wird, können wir nichts unternehmen. Sie wird David nichts antun, bis ich dort bin, damit ich dann zuschauen muss.«
Er schweigt, und ich weiß, wie nervenaufreibend die Vorstellung ist, noch acht oder neun Stunden lang zu warten. Das weiß ich deshalb so genau, weil es mir nicht anders geht.
»Zieh ja nicht allein los, Frey«, warne ich ihn. »Warte auf mich. Du wirst doch auf mich warten, oder?«
»Natürlich.«
Das kam zu schnell. Aber Frey ist nicht dumm. Er wird kein unnötiges Risiko eingehen, solange Davids Leben auf dem Spiel steht. Ich will mich schon bei ihm bedanken und auflegen, als noch eine Einzelheit aus seinem Redeschwall an der Oberfläche meines Bewusstseins ankommt. »Hast du gesagt, Lance hätte dich angerufen? Wann?«
»Vor zwei Stunden. Er hat gesagt, du seist auf dem Heimweg, und ich solle es im Flugzeug versuchen, falls ich dich erreichen will. Er hat sich merkwürdig angehört, Anna. Und weiter hat er nichts gesagt, nur das. Er hat aufgelegt, ehe ich ihn fragen konnte, woher er wusste, dass ich dich zu erreichen versuche. Stimmt irgendetwas nicht? Habt ihr beiden euch gestritten?«
Gestritten? Bei dem Gedanken regen sich Blutlust und Vorfreude in mir. Nein, noch nicht. Aber ganz sicher bald. Ich schiebe die Vampirin zurück in ihren Käfig. »Ist nicht so wichtig.«
»Bist du deshalb so plötzlich verreist? Weil du dich mit Lance gestritten hast?«
»Nein. Lass es gut sein.«
»Dann wolltest du also nur am Jahrestag deiner Verwandlung nicht da sein? Denn wenn das der Grund dafür war, musst du noch etwas wissen.«
Es gefällt mir nicht, wie sich das anhört. »Was?«
Kurzes Schweigen, als überlege Frey sich seine Worte gründlich. »Ich habe noch ein bisschen recherchiert. Unsere Annahme, der Jahrestag beziehe sich auf den Tag, an dem du und Donaldson Blut ausgetauscht habt, ist falsch. Das stimmt nicht. Es ist der Tag, an dem du dich zum ersten Mal als Vampirin genährt hast. Das Trinken von Blut bildet den Abschluss der physiologischen Veränderung. Von diesem Moment an warst du nicht mehr menschlich, sondern wahrhaftig ein Vampir. Darauf bezieht sich der wahre Jahrestag deiner Verwandlung. Und an diesem Datum wirst du zu dem werden, was dir bestimmt ist.«
Einen Moment lang hört er sich so sehr an wie Julian Underwood mit seinem Schwachsinn von wegen der Göttin der Sorginak, dass ich beinahe darüber lache. Aber was sie mir in dieser Höhle antun wollten, war nicht lustig. Was sie mit mir gemacht haben, war nicht lustig. Wie konnte ich also hoffen, dass die Wirklichkeit besser sein würde? Ich dachte, es sei vorbei – dieser Irrsinn von wegen ich sei die Auserwählte. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher.
Wenn Mrs. Williams vorhat, das Werk ihres Mannes fortzusetzen, stehe ich wieder ganz am Anfang. Sie schien mir vom Dasein als Vampir nicht viel Ahnung zu haben, aber sie muss stundenlang zugehört haben, wie ihr Mann darüber sprach, dass er mich für seine Sache gewinnen müsse. Vielleicht hat er auch David erwähnt und dass ich gegen Avery gekämpft habe, um David zu retten. Womöglich sieht sie David als den Schlüssel dazu, die Mission ihres Mannes zu Ende zu führen.
Ich denke an die dunklen Tage meiner Wandlung zurück. Der Angriff war Freitagnacht. Dann war ich im Krankenhaus – wie lange? Ein oder zwei Tage. Anschließend ist Avery zu mir nach Hause gekommen und hat mir erklärt, dass ich kein Mensch mehr bin, sondern ein Vampir. Zwei Tage später habe ich von ihm getrunken. Wenn es stimmt, was Frey sagt, dann wären das vier Tage, nachdem ich gebissen wurde – Dienstag.
Dann müsste also am Dienstag passieren, was immer da geschehen soll. Außer ich kann das verhindern. Ich bitte Frey um einen Gefallen, ehe wir uns verabschieden.
Na ja, genau genommen zwei. Er soll Davids Freundin anrufen und ihr etwas erzählen, irgendetwas, das sie daran hindert, David als vermisst zu melden. Dass sich die Polizei einschaltet, können wir gar nicht gebrauchen. Zweitens soll er Tracey anrufen und ihr dasselbe erzählen. Am besten denkt er
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