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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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Lieder. Eine leichte Brise wehte durch das frische, grüne Gras. Er sah lange auf die runde, schneebedeckte Kuppe und auf einmal war er gedanklich wieder auf dem großen Fest. Er stand wie früher mit seiner Oma am Rand der großen Wiese. In der Mitte gab es eine Reihe von Jugendlichen und viele Besucher. Die Köpfe in den Nacken gelegt, guckten sie in den dunkelblauen Himmel und beobachteten, wie die Drachen oben um den runden Mond kreisten.
    Plötzlich war es ihm, als ob jemand hinter seinem Rücken stand. Er drehte sich um und sah eine kleine, zierliche Frau, die vom Kopf bis Fuß in Schwarz gehüllt war. Ihr glattes, langes Haar glänzte auf der Sonne. Das üppige Kleid flatterte leicht im Wind, der schwere Saum strich über das frische Gras der Wiese und riss die Köpfchen der Gänseblumen von den Stängeln ab. Die Frau beugte sich zu ihm vor und lächelte ihm zu. Nichts außer Kälte wehte von ihrem blassen Gesicht mit klassisch geschnittenen Zügen. Schneidender Blick ihrer schwarzen Augen ließ einen kalten Schauder über seinen Rücken wallen.
    „Da bist du also“, erklang ihre gestellt freundliche Stimme. „Du bist hier gut versteckt. Aber ich habe dich trotzdem gefunden.“ Sie wirkte zufrieden.
    Ian blickte sie mit weit aufgerissenen Augen an und rutschte weiter weg.
    „Na-na, du brauchst dich vor mir nicht zu fürchten. Gucke mal, ich habe dir etwas mitgebracht.“ Sie hielt plötzlich einen Korb in der Hand und stellte ihn vor dem Jungen. „Das sind köstliche Sachen. Alles was du früher so gerne gegessen hast. Gucke mal“, säuselte sie.
    Er blickte in den Korb. Statt der angekündigten Leckereien sah er dort nichts außer den braunen, glitschigen Nacktschnecken, die übereinander krochen und über den Rand des Korbes zu fallen drohten. Er schnappte nach Luft und stammelte: „Wer sind sie?“
    „Ich bin die beste Freundin deiner Mutter“, lächelte die Frau geziert. „Sie hat mich gebeten, dich hier abzuholen. Sie bereitet gerade etwas Schönes für dich zu, also kann sie nicht aus der Küche weg. Und ich war hier sowieso in der Gegend. Also kann ich dich mitnehmen. Komm mit. Ich werde dich zu deiner Mutter bringen.“
    Ian schüttelte entschieden den Kopf, stand auf und machte einige Schritte zurück. Dabei stolperte er über eine Gans, die mit einem lauten Gackern davon rannte.
    Die Frau in Schwarz schnappte ihn bei der Hand und zog ihn zu sich. Ihren Korb hielt sie in der anderen Hand. „Komm mit. Im Handumdrehen sind wir da“, krächzte sie. Ihr eiserner Griff hielt ihn fest.
    „Lassen Sie mich los! Ich will nicht mit Ihnen gehen!“, schrie er, seine Stimme schrill.
    „Du musst jetzt aber mitkommen!“ Sie fing an, etwas in einer Sprache zu flüstern, die er nicht verstand.
    Auf einmal stand die Alte auf der Wiese, das Gesicht dunkelrot, der Atem schwer, als wenn sie gerannt wäre. In ihrer rechten Hand hielt sie einen neuen Spaten, dessen scharfe Kante auf der Sonne aufblitzte. „Lass den Jungen los!“, brüllte sie. „Du hast hier nichts zu suchen!“
    Die Frau in Schwarz reagierte nicht und flüsterte etwas noch schneller.
    „Sofort loslassen! Sonst gibt’s den hier!“ Die Alte hob den Spaten und hielt ihn wie ein Speer über der Schulter. „Da werde ich schauen, ob dir das gut bekommt! Ich verfehle dich nicht, das kannst du mir glauben!“
    Die Frau in Schwarz musterte sie eine Weile abschätzig aus den zu schmalen Schlitzen zusammengekniffenen Augen, ließ aber dann den Jungen los. Ihr Gesicht verzog sich zu einer hässlichen Grimasse. „Bilde dir bloß nichts darauf ein, du alte Schabracke“, zischte sie. „Ich komme bald wieder! Dann wirst du mich kennen lernen!“ Im nächsten Moment löste sie sich in der Luft auf.
    Ian atmete erleichtert aus und rieb sich den Arm, an dem diese merkwürdige Frau ihn festgehalten hatte. Eine Nacktschnecke kroch vor seinen Füßen.
    Die Alte ließ den Spaten herunter, steckte ihn in die feuchte Erde und schrie: „Siehst du, was du davon hast, wenn du an die alten Zeiten denkst? Sie hätte dich locker mitnehmen können! Da hat nicht viel gefehlt! Du wärest jetzt in ihrem Reich. Sie hätte dich mit diesen Schnecken jeden Tag gefüttert! Du hättest nie wieder in deinem Leben Sonne oder freien Himmel gesehen, nie wieder frische Luft zum Atmen gehabt! Willst du das??“
    Er trippelte ein paar Schritte von ihr weg, seine aufgerissenen Augen auf ihr wutverzerrtes Gesicht gerichtet. „Ich habe mich auch gewehrt“, stammelte er. „Und

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