Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
ich habe gesehen, dass sie eine Magierin ist. Ich habe gesehen, dass sie die Schnecken in Bonbons verwandelt hatte.“
Die Alte schnappte ihn am Arm, der immer noch wehtat, schleifte ihn über die Wiese den ganzen Weg in die Hütte und kreischte: „Das reicht nicht! Sie hat dich gefunden! Das ist das Schlimmste an der ganzen Sache! Und warum gelang es ihr, fragt es sich? Weil du wieder an den Blödsinn gedacht hast, den du längst vergessen haben solltest!“
„Aber ich wollte nicht mitkommen“, protestierte Ian. „Ich habe zu ihr klar gesagt, ich will nicht!“
„Da hat sie aber auf dich auch viel gehört, wie es aussah! Wenn du wieder an die alten Zeiten denkst, dann kommt sie wieder und holt dich! Irgendwann findet sie, wie sie diese alte Regel umgehen kann. Und dann wird es verdammt ernst für dich! Sie ist gefährlich. Versteh es doch endlich!“ Bei der Hütte angekommen, schob sie ihn in sein Zimmer. „Es gibt so viele andere Dinge, mit denen du dich beschäftigen kannst! Und ab heute musst du jeden Tag viel mehr schuften, damit du keine Zeit hast, all diese alten Kamelle zu reiten. Das wird dir all diesen Blödsinn aus dem Kopf treiben!“ Sie knallte die Tür hinter sich zu. Mehrere Brocken vom Stuck lösten sich von der Wand und fielen auf den Boden.
Seitdem musste Ian jeden Tag noch mehr arbeiten. Wenn er abends todmüde ins Bett fiel, konnte er an nichts mehr denken.
Ernst marschierte auf einem schmalen Pfad, der sich zwischen den zahlreichen Pfützen und Tümpeln schlängelte. Er hielt etwas in der linken Hand fest umklammert. In seiner Rechten hatte er seinen langen, dicken Holzstock, an den er sich bei jedem Schritt stützte. Sein Gesicht rötete sich vor Kälte. Nebelschwaden umhüllten seine hohe, hagere Figur. Er vertiefte sich immer weiter in den Toten Wald.
Bald kam er bei dem großen Sumpf an. Das trübe, dunkelbraune Wasser quoll über die Ufer. Einige Bläschen drangen hier und dort an seine Oberfläche. In der Luft hing ein starker Geruch nach Verwesung und Schwefel. Ernst legte den Gegenstand an den Rand, richtete sich langsam wieder auf und ging, ohne sich umzublicken zurück. Eine kleine Drachenfigur aus rotem Lehm blieb auf dem nassen Boden liegen. Seine Augen funkelten leicht Rosa, bis das trübe Wasser ihn überdeckte.
Ian schüttelte kräftig den Kopf.
„Jetzt hast du gesehen, wer den kleinen Drachen zu dem großen Sumpf gebracht hatte“, flüsterte Anna. Sie musterte seine verwirrte Miene.
„Und ich weiß jetzt, wer Ernst ist“, sagte Scharta. „Das ändert schon einiges.“ Sie starrte nachdenklich ins bläuliche Feuer.
Er blickte zu der jungen Frau, dann zu der Schlange und zurück.
Niemand sagte ein Wort.
„Wolltet ihr mir weiter nichts sagen?“
„Das ist ja dein Freund, du müsstest es wissen“, sagte Anna achselzuckend.
„Das weiß ich eben nicht“, sagte Ian. „Ich frage mich, wie Ernst in die Oberwelt kommt und woher er den kleinen Drachen hatte.“
„Das sollte er dir lieber selbst erklären“, murmelte Scharta. „Das ist besser so.“
„Und sonst?“ Er blickte verdutzt in die Runde.
„Was du mit all dem anfängst, musst du selbst wissen“, erwiderte die Hüterin des Wissens. „Das ist allein deine Entscheidung“, fügte sie hinzu. Dann wandte sie sich zu Anna. „Und du? Hat dir die Kugel etwas offenbart, was du möglicherweise mit uns teilen willst?“
„Sie hat mir jede Menge gezeigt“, seufzte sie. „Und deshalb mache mich auf den Weg. Es gibt etwas zu erledigen. Das will nicht länger warten.“
Ian sah sie irritiert an. „Du willst weg?“
„Ja. Ich muss.“ Sie blickte entschieden in die Runde „Ich gehe in die Menschenwelt. Aber ich komme bald zurück. Es ist nur ein kurzer Ausflug. Ich muss dort einfach jemanden besuchen, eine alte Angelegenheit klären.“
Scharta sah sie durchdringend an.
Die Jungmagierin erwiderte mühelos ihren Blick.
„Nun, wenn es so ist … Sei aber vorsichtig! Besonders an den Übergängen zwischen den Welten. Es kann gefährlicher sein, als du es annimmst. Die dunklen Kräfte schlafen nicht.“
Anna winkte ab. „Ich bin nicht vom großen Interesse für sie. Ich bin doch nur eine langweilige Anfängerin. Die Grausame ist ja dem letzten Drachen hinterher.“
Ian starrte nachdenklich vor sich. „Ich glaube, Scharta hat recht“, sagte er schließlich. „Du nimmst sie nicht ernst genug.“
„Hauptsache, du tust es!“, gab sie amüsiert zurück. „Sie hat viel mehr Interesse
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