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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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einer Armlänge. „Schön bist du geworden, wie diene Mutter“, sagte er schließlich, seine Stimme brach. Tränen blitzten in den Fältchen seiner Augenwinkel.
    Anna kraulte benommen den Hund hinter den Ohren. Schon lange hatte sie keinen Menschen von ihrer Mutter sprechen hören.
    „Nun setz dich doch.“ Der Vater zeigte auf einen roten, mit aufwendiger Handstickerei verzierten Schemel unweit vom Herd, der seine trockene Wärme in alle Richtungen strahlte. Er setzte sich ihr gegenüber. „Magst du etwas essen?“
    „Nein, danke“, lächelte sie Kopf schüttelnd. „Ich habe keinen Hunger.“
    „Aber du trinkst doch Tee mit mir.“ Das klang wie eine beschlossene Tatsache, die keine Widerrede zuließ.
    „Ja“, nickte sie und nahm Platz.
    Der Hund rollte sich auf ihren Füßen zusammen, legte seine Schnauze auf die Hinterläufe und ließ aus den tiefsten Ecken seines alten Hundeherzens einen lang gezogenen zufriedenen Seufzer entweichen.
    „Wo ist Mondoon und deine Söhne?“
    „Sie sind zu Besuch.“
    „Ach so …“ Sie blickte enttäuscht.
    „Ein Stück weiter westlich stehen zwei Jurten, da sind Verwandte von Mondoon: ihre Schwester mit der jüngsten Tochter, beide mit Familien. Die Tochter hat neulich ihr erstes Kind, einen Jungen zur Welt gebracht. Also die Aufregung ist groß“, lächelte er. „Dort übernachten sie heute.“
    „Verstehe“, seufzte Anna. „Keiner will mit mir etwas zu tun haben.“
    „Nein, so ist es nicht. Murat, meinen Ältesten, hast du bereits kennengelernt.“
    „Ein erwachsener Mann bereits.“ Sie versuchte ihr Schmunzeln zu verbergen, als der bemüht würdevolle Gesichtsausdruck des Jungen vor ihrem inneren Auge auftauchte.
    „Ja“, nickte der Vater. „Er ist ein guter Jäger und hat ein geschicktes Händchen im Umgang mit Tieren. Das hilft mir ungemein bei der Arbeit.“
    „Sie wollte uns also allein reden lassen“, sagte die junge Frau und blickte auf die Stelle am Herd, wo Mondoon einige Stunden zuvor stand und in ihrem Lammfleischeintopf emsig rührte.
    Auf der Ecke dampfte ein verrußter Teekessel gemütlich vor sich. Der Vater stand auf, ging hin und kehrte mit zwei Pialas voll mit sahnig braunem, würzig riechendem Tee zurück. Er drückte eins davon Anna in die Hände, setzte sich auf seinen Schemel vor ihr wieder und sah sie aufmerksam an. „So bist du also geworden“, lächelte er. „Erzähl mir über dein Leben bei der weißen Schamanin. Geht es dir gut dort?“
    „Danke, mir geht es gut“, erwiderte sie leise.
    Sie tranken ihren Tee im bedächtigen Schweigen.
    „Schön, dass du da bist“, sagte er, als er seine Piala leer hatte.
    Die junge Frau sammelte ihren ganzen Mut, sah dem kleinen Mann direkt in seine schmalen Augen und fragte: „Warum habt Ihr mich weggegeben Vater?“
    Er blickte besorgt auf. „Gefällt es dir nicht dort, wo du bist?“
    „Darum geht es gerade nicht.“ Sie atmete tief durch und gab sich Mühe, ihre Aufregung nicht preiszugeben. Sie beugte sich zum Hund und streichelte ihn über den fast kahlen Kopf. Er seufzte tief im Schlaf. Sie richtete sich dann wieder auf und sagte mit fester Stimme: „Ich will aber wissen, warum ihr mich an Alphira verkauft habt.“
    Der kleine Steppenmann stand auf, ging zum Herd, die Füße über den Boden schleifend, füllte die Pialas auf, kehrte zurück, gab ihr die Ihre und setzte sich wieder. Er sah sie mit einem langen, durchdringenden Blick an und sagte leise: „Verstehe mich bitte nicht falsch. Ich habe dich der fremden weißen Schamanin nicht verkauft. Ich habe dich ihr anvertraut. Es war besser so.“
    „Für wen war es besser?“ Sie musterte sein flaches, mit vielen Fältchen durchpflügtes Gesicht.
    „Für dich, für mich, für uns alle“, sagte er seufzend und nahm einen großen Schluck.
    Sie stellte ihre Piala auf den Boden neben ihrem Schemel ab, blickte zu ihm auf und sagte bemüht ruhig: „Verstehe ich nicht.“
    „Ja, ich ließ die weiße Schamanin dich mitnehmen, das ist wahr“, sagte er. „Aber nicht, weil ich dich nicht liebte.“ Seine Augen wurden wässerig. „Ganz im Gegenteil“, fügte er flüsternd hinzu.
    „Warum denn dann? Erklärt es mir!“
    Der kleine Mann nickte, atmete tief ein, hielt inne und sagte: „Ich wollte eine Zukunft für dich, die zu dir passt. Diese konnte ich dir hier nicht bieten.“
    Anna blinzelte, schluckte, atmete tief durch und hörte weiter zu.
    „Die weiße Schamanin, sie war richtig für dich. Sie machte einen

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