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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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Tag kamen viele Leute zu ihr, von weiter weg.“
    „Und warum?“
    „Sie konnte gut heilen“, sagte der junge Mann und blickte mich an, als ob er prüfen wollte, dass ich seine Worte auch ernst nahm. „Alles, was an Krankheiten so gibt“, fuhr er fort. „Sie konnte auch die Seelen zurückholen. Sie wusste auch, wenn etwas Wichtiges im Ankommen war: ein Unwetter, ein extrem kalter Winter oder eine Plage. Sie gab uns dann Bescheid, damit wir uns darauf vorbereiten konnten. Wir hätten sonst viel mehr Tiere verloren und einige von uns vielleicht manchen Sandsturm, langen Winter oder lange Hitzeperiode nicht überstanden.“
    Der Mann ließ den Kopf sinken, strich sich nervös paar mal über seinen kahl geschorenen Kopf und blickte wieder zu mir auf. „Nun, meine erste Frau ist jetzt seit fast fünf Jahren tot.“ Er wischte rasch über seine Augen mit dem Ärmel. „Und jetzt sieht es aus, als ob die Kleine auch von mir geht. Alles so, wie es in der alten Prophezeiung heißt“, seufzte er, dann sah mich entschlossen an. „Nehmen Sie sie und gehen Sie. Ich werde beten, dass meiner Tochter bei Ihnen gut geht.“
    „Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte ich. „Ich werde ihre Begabung fördern. Sie wird zu einer guten Magierin.“
    Der kleine Mann nickte und drehe sich rasch von mir weg.
    Ich blieb noch kurz und gab ihm etwas, was meiner Meinung nach bei ihm bleiben sollte.
     
    Kühler Wind weckte Anna aus ihren Erinnerungen. Sie stand auf und warf einen suchenden Blick um sich. Es war mittlerweile dunkel. Unzählige Sterne blinzelten im hohen Himmel. Sie merkte, dass ein heller Punkt sich aus der östlichen Richtung auf sie zu bewegte. Sie strengte die Augen an. Der Punkt bewegte sich etwas sprunghaft, kam aber schnell, und sie konnte schließlich erkennen, was es war. Ein gelber Hund rannte aus all seiner Kraft auf sie zu. Als er schwer atmend vor ihr stand, die Zunge raus, die Augen voller unbändiger Freude auf sie gerichtet, rief sie: „Freundchen! Das gibt es doch gar nicht! Da bist du ja!“
    Der Hund winselte, als er sie seinen Namen rufen hörte, sprang hoch, platschte seine Vorderläufe ihr auf die Schultern und fing an, ihre Nase, die Wangen, die Augen samt der Tränen, die ohne jeden Halt plötzlich flossen, eifrig abzulecken.
    Sie drückte ihn fest an sich und ließ wieder auf die Erde.
    Er jaulte auf und versuchte wieder aufzuspringen.
    „Ist ja gut, ist ja gut!“ Sie hielt ihn unten, streichelte über den Rücken, kraulte hinter den Ohren.
    Sein Fell am Kopf und weiter dem Rückgrat entlang war lichte, in den Augen stand Müdigkeit, die nun einer ungebremsten Freude gewichen war. Er presste seinen Rumpf gegen ihre Beine, blickte in die Richtung, wo er hergekommen war und bellte laut in die dunkle Steppe.
    Anna schaute angestrengt hin. Sie konnte eine dunkle Gestalt wahrnehmen, die zwar langsamer lief, jedoch recht schnell auf sie zu kam. Bald konnte sie sehen, dass es ein stämmiger Mann war, der seine krummen Beine recht flink bewegte, sein Gang federnd und leicht. Auf der rechten Schulter trug er etwas Dunkles, in der linken Hand ein Gewehr. Als er vor ihr stand, sah sie, dass er sehr jung war, vierschrötig, mit kräftigen Knochen und runden Oberarmen, die sich von unter seiner dünnen Jacke wölbten. Das breite Mondgesicht mit dicken, schwarzen Augenbrauen strahlte Gelassenheit und Würde aus, die Anna etwas bemüht vorkamen. Seine schmalen Augen maßen sie unverhohlen vom Kopf bis Fuß. Er musterte sie eine Weile schweigend, ohne zu blinzeln, dann sagte er in einer Stimme, die leichte Spuren vom Stimmbruch durchblitzen ließ: „Ich bin Murat. Mein Vater schickt mich, Euch abzuholen. Folgt mir.“ Er drehte sich um, rückte den blutenden Kadaver eines toten Fuchses auf seiner breiten Schulter zurecht und stampfte in die schwarze Nacht.
    Anna schmunzelte, nickte und lief ihm hinterher. Der Hund klebte an ihren Beinen, versuchte immer wieder hochzuspringen, jaulte kläglich auf, als sie es ihm nicht erlaubte, und leckte stets an ihren Händen, obwohl sie nichts Leckeres für ihn dabei hatte.
    „Freundchen, du musst mich schon gehen lassen“, sagte sie ungeduldig und schob den Hund behutsam beiseite. „Sonst kommen wir nie an.“
    Als sie die Jurta betrat, kam der Vater auf sie zu. Er nahm sie in die Arme und drückte sie fest.
    Er war nicht größer als sie, schmal und drahtig. Der Druck seiner Hände fühlte sich kräftig an. Er ließ die junge Frau los und musterte sie eine Weile von

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