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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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sich. Der silberne Drache trug ihn immer weiter von der Erde weg, immer höher, mit jedem Flügelschlag dem runden Mond ein Stück näher. Der Junge blickte um sich: ein atemberaubender, grenzenloser Himmel. So eine Menge an Sternen, die einen dichten, glitzernden Teppich über ihm flochten, hatte er noch nie gesehen. Der Wind pfiff in seinen Ohren, die nächtliche Frische zupfte an seinen Armen und Beinen, das nahm er aber kaum wahr. Dieser Flug versetzte ihn in einen Zustand der vollkommenen Entzückung. Er war so überwältigt, dass er vor lauter Glück und Erfüllung schreien könnte. Denn er fühlte sich eins mit dem Drachen, mit dem atemberaubenden Himmel, mit der grenzenlosen, berauschenden Freiheit dieser einmaligen Nacht, mit dem, was er war und seiner ganzen Welt.
     
    Im Kamin knackte etwas. Ian blickte dem Geräusch nach. Niemand. Die Bilder vor seinem inneren Auge wollten sich einfach nicht verjagen lassen. Er war immer noch ein kleiner Junge auf dem Rücken des mächtigen, silbernen Drachens.
    Wie konnte ich es vergessen? Wie konnte ich das, was ich bisher getan habe, für mein wirkliches Leben halten? Nie mehr fliegen? Nie wieder dieses überwältigende Gefühl der Freiheit erleben? Er schüttelte den Kopf . Die Kräutertränke und Tricks der Alten müssen in der Tat nicht übel sein.

Kapitel 37. Die ungebetene Besucherin.
    Auf einmal lief ihm ein kalter Schauder über den Rücken. Ein kräftiger Windstoß drang ins Zimmer durch die zerschlagenen Fensterscheiben und wirbelte die trockenen Blätter auf dem Parkett auf. Ian blickte nach draußen. Schwere Gewitterwolken türmten sich dicht übereinander auf, es grummelte in der Ferne. Eine Tür ging mit einem lauten Quietschen weiter hinten im Flur auf und schlug sogleich wieder zu. Aus der Schwärze des Kamins kroch auf einmal dichter, grauer Nebel. Nach und nach bedeckte er den Boden mit einer feuchten, nach Verwesung und Schwefel riechenden Schicht.
    Der Gögling wurde plötzlich wach. Er schlug kräftig mit den Ohren, kreischte, kratzte Ian an den Händen, flog einige Kreise um den Kopf herum, klemmte sich dann fest an seiner Schulter, so dass die Krallen dem jungen Mann bis zu den Knochen hindurchgingen, dann wickelte er sich in die lederartige Materie seiner Ohren und stellte sich still.
    „Du tust mir weh!“, protestierte Ian und versuchte ihn herunterzunehmen.
    Der Gögling ließ sich aber kaum von der Stelle bewegen.
    Ian seufzte und gab es auf. Er lief zum Kamin, nahm den kleinen Drachen vom Sims und steckte ihn in seine Jackentasche. Auf einmal wurde es ihm bewusst, dass er nicht allein war und er drehte sich um.
    Die Herrscherin der Unterwelt stand einige Schritte vor ihm und schlug langsam mit einem zusammengelegten glitzernden Fächer gegen ihre offene linke Hand, als ob sie damit jede Sekunde nachzeichnete, und musterte ihn spöttisch aus ihren zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen. Schiefes Lächeln umspielte die schmalen Lippen.
    Von außen grummelte es lauter. Erster Blitz erhellte das Kaminzimmer.
    Die Diamanten auf ihrem Kleid funkelten in tiefem Rot auf.
    Ohrenbetäubender Donner krachte über dem Haus. Heftiger Platzregen setzte ein. Schwere Tropfen schossen in die eingeschlagenen Fenster.
    „Ein tolles Wetter für unsere Verabredung! Ich liebe Gewitter!“, lachte sie, ihre Stimme rau und tief.
    „Was machen Sie hier?“
    „Ich gehe, wohin ich will und ich treffe, wen es mir genehm ist.“
    „Ich muss los“, raunte er und schickte sich an zu gehen.
    Die nächste Salve Donner überdeckte ihr Auflachen. „Warum denn so eilig, junger Mann? Du stehst hier sonst stundenlang zu träumen. Und plötzlich hast du keine Zeit, wenn es um die wirklich wichtigen Dinge im Leben geht.“
    „Sie haben mir wieder nachspioniert!“ Ian sah sie verärgert von unter zusammengezogenen Brauen an.
    Sie grinste breit. „Wer seine Gedanken nicht verschließt, kann jederzeit damit rechnen, dass sie von jemandem gelesen werden. Die ungeschriebenen Regeln der Oberwelt müsstest du doch so langsam kennen.“
    „Ich habe meine Gedanken geschlossen.“
    „Ausnahmsweise nicht, mein Kleiner. Du hattest sie alle offen, wie in guten alten Zeiten. Alles was du dachtest, war für jedermann sichtbar: wie du auf dem Rücken von deinem Drachenvater im Mondlicht geflogen bist, wie du vor dem Kamin mit deinem Spielzeugdrachen gespielt hast. Du hast auch an mich gedacht! Wie reizend“, sie verzog ihren schmalen Mund zu einem bemüht charmanten Lächeln. „Ich

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