Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
wusste sofort, wo du bist. Und ich eilte zu dir. Unterwegs erinnerte ich mich daran, dass wir eine geraume Zeit lang gute Freundinnen waren, ich und deine Mutter. Ich war oft hier zu Besuch, wie du dich jetzt auch selbst entsinnen kannst.“ Sie schaute abschätzig um sich und setzte hinzu: „Ja-a, damals sah es hier etwas bewohnter, ja aufgeräumter aus.“ Dann richtete sie ihren Blick wieder auf Ian. „Wegen meiner alten Freundschaft mit deiner Mutter beschloss ich, dir ein großzügiges Angebot zu unterbreiten. So etwas wirst du nie wieder zu hören bekommen.“
Er winkte ab.
Die Herrscherin der Unterwelt musterte ihn eine Weile eindringlich und sagte dann: „Du wirst die Hälfte meines Reiches haben können, mit allem Drum und Dran. Alle Diener und sonstiges Fußvolk auf deiner Hälfte gehören dir und führen deine Befehle aus. Du kannst damit machen, was du willst: sie erst ausgiebig foltern, oder die Köpfe sofort abschlagen, oder sie im Kerker vergessen und langsam sterben lassen. Wie es dir eben gefällt.“ Sie machte eine Pause. Als Ian nicht reagierte, fuhr sie fort: „All die Schätze, die du in deinen Ländereien finden lässt, gehören auch dir. Du musst sie nicht mit mir teilen. Wenn du willst, kann ich dir auch ein paar seltene Steine aus meiner Schatzkammer, die du schon auch von innen kennst, zur Feier solch‘ eines Tages überlassen. Ist es nicht ein großzügiges Angebot?“ Ihr Blick schien ihm bis in die tiefste Ecke seiner Seele durchzudringen. „Du musst es nur wollen.“ Sie setze ihr bemüht charmantes Lächeln wieder auf. „Nur ein Wort und du bist dein eigener Herr. Was sagst du dazu?“
Er lachte auf: „Na so was! Plötzlich kommen die alten Freundschaften ins Spiel. Es ist ja merkwürdig, dass diese ach so geschätzte Freundschaft Sie nicht daran gehindert hat, meine Mutter und alle anderen aus dem Drachenvolk auszulöschen.“ Er blickte sie vorwurfsvoll an und setzte spöttisch hinzu: „Und jetzt besitzen Sie noch die Unverfrorenheit, sich über die Verwüstung unseres Hauses auszulassen!“
„Sie haben es nicht anders gewollt!“ Sie schaute auf ihn von oben herab.
Ian lief ein kalter Schauer über den Rücken. Seine Fäuste ballten sich. Er schloss die Augen und atmete tief durch. Ruhig bleiben, ganz ruhig.
„Ich hatte es dem Drachenanführer fairerweise angeboten, auf meine Seite zu wechseln“, fuhr sie fort. „Aber er und seine Untergebenen blieben stur. Also dann …“, sie setzte eine herablassende Miene auf und schlug kräftiger mit dem Fächer gegen ihre offene Hand, „gab es für sie keinen anderen Weg. Entschieden ist entschieden.“
„Und ich habe mich auch entschieden“, sagte er und sah ihr direkt in die funkelnden Augen. „Alles andere, bloß nie wieder diese nach faulen Eiern stinkende Hölle!“
„Du kannst dir in deiner Hälfte der Unterwelt alles nach deinem Geschmack einrichten, Düfte inklusive“, erwiderte sie, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Sie verstehen mich nicht oder sie wollen es nicht tun!“
„Ich akzeptiere keine Absagen! So einfach ist es.“
„Sie sind so bemitleidenswert.“ Ian schüttelte verzweifelt den Kopf und blickte zur Tür.
„Glaub ja nicht, du hättest anderweitig eine Chance! Alles ist längst unter meiner Kontrolle. Die Oberwelt ist auf ein winzig kleines Stückchen um das Haus von Alphira geschrumpft. Dass es noch da steht, geschieht allein von meinen Gnaden. Das habe ich ihr gelassen. Solange sie noch lebt. Ich bin ja so großzügig!“ Sie ließ den Blick theatralisch zur Decke schweifen. „Aber das ich bin nicht immer, meine Geduld ist auch schnell am Ende“, fügte sie mit rauer Stimme hinzu. „Da rollen gern mal die Köpfe, wie du es unlängst mitbekommen hast.“ Ihre Augen blitzten auf. „Daher entscheide dich, was du wirklich willst: Ein Leben als ein ehrenwerter Herr in Saus und Braus, als Herrscher der Oberwelt oder …“, sie verzog abschätzig ihren schmalen Mund, „bist du weg vom Fenster! Wie deine, ach so stolzen, dickköpfigen Drachenleute.“
„Es ist besser, Sie verlassen dieses Haus.“ Ian blickte direkt in ihre schwarzen Augen. „Ich bin klein Sklaventreiber. Mir ist es recht, wenn die Bewohner der Oberwelt ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen richten und ihre Entscheidungen selbst treffen, ohne den Druck dahinter. Sie sind sehr wohl imstande, selbst zu entscheiden, was gut für sie ist, und nur das zu tun, was sie für richtig halten.“
„Ha-ha-ha! In welchen
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