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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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an. Der Brunnen verkam zu einer kleinen Pfütze. Trinkwasservorräte wurden jeden Tag knapper. Die Stadtbewohner litten unter der Hitze und zunehmend am Wassermangel. Keiner konnte etwas dagegen tun. Die Behörden versagten, die Reichen verließen die Stadt, der Bürgermeister trat von seinem Amt zurück.
    Und das ganze Elend soll die Kleine verursacht haben. Dieses schmächtige Ding, nur Haut und Knochen, der Blick eines gejagten Rehs, wenn sie nicht gerade vor sich hin starrte. Sie war fast unsichtbar. Und sie sollte die Ursache des Problems sein! Sie hätte das Unglück über die Stadt gebracht, hieß es. Die Hysterie wurde mit jedem Tag krasser. Es ging dann soweit, dass das Mädchen eines Tages mit Gewalt vom Brunnen entfernt und in den Knast geworfen wurde.
    Zur Gefängnisanlage gehörte auch der ehemalige Wasserturm. Ihre Zelle war ganz oben: ein kleiner Raum mit dem einzigen kleinen Fenster nach Westen, also zum Meer hin ausgerichtet. Die Flucht von dort war ausgeschlossen. Es sei, der Häftling wollte sich selbst richten und stürzte ins Meer. Dafür müsste das Gitter erst weg. Das Fenster war aber hoch und nicht besonders groß.
    Die Kleine wurde Tag und Nacht von Wächtern durch ein Loch in der Tür beobachtet. Und neue Gerüchte machten prompt die Runde in der Stadt. Sie rührte überhaupt nichts an, was ihr durch eine Klappe in die Zelle geschoben wurde. Sie saß auf der Pritsche, die spitzen Knie unters Kinn gezogen und starrte auf die kahle Mauer. Manchmal wiegte sie sich, so ganz leicht von einer Seite zur anderen. Hin und wieder hörten die Wächter nachts, als ob ein Tier in ihrer Zelle leise heulte. Sie guckten sofort hin, aber außer der Kleinen war keiner da. Sie starrte immerzu auf die Wand vor ihr, als wenn sie dort etwas sah, was den Wächtern erspart blieb.
    Es gab noch mehr Gerede über die Arme in der Stadt, als zu den Zeiten, wo sie am Brunnen saß. Von manchen wurde sie für verrückt erklärt. Manche sagten, sie bereitete das nächste Unheil vor, was demnächst über die Stadt einbrechen würde. Die Gerüchteküche brodelte, die erhitzten Gemüter malten die Bilder des Weltuntergangs aus, das eine düsterer als das andere.
    Das Mädchen saß oben im Turm, starrte vor sich hin und nahm immer noch nichts zu sich. Es kippte auch nicht vor Erschöpfung um oder so. Es saß einfach still da. Das kam den Wächtern so langsam verdächtig vor. Und eines Tages wurde einer übermütig. Er ging in die Zelle und wollte die Kleine aus ihrer Starre wachrütteln. Aber sobald er sie berührte, durchfuhr ihn so etwas wie ein ungeheuer kräftiger Stromschlag. Alles begann sich um ihn zu drehen. Eine Fülle von fürchterlichen Bildern, ekelerregenden Gerüchen, horrend schreienden Stimmen strömte auf einmal in seinen Kopf.
    Er sah eine zierliche Frau in einem hübschen Kleid mit schneeweißer Schürze, die auf einem breiten Kiesweg vor einem stattlichen Haus in einer riesigen, roten, klebrigen Lache, wie eine kaputte Puppe zusammengekauert lag. Wo das Gesicht gewesen sein musste, war ein Mischmasch aus Blut, Knochen und etwas Grauem.
    Unweit von der Frau auf dem Rasen sah er einen dicklichen Mann mit dem Rücken an einen blühenden jungen Apfelbaum gelehnt sitzen. Sein runder Bauch war bis zum Hals mit einer scharfen Klinge aufgeschlitzt. Der Schnitt war gerade, wie mit einem Lineal gemacht. Die glänzenden Gedärme quollen heraus und dämpften in der kühlen Morgenluft.
    Er sah auch einen kleinen Jungen mit zu einer Maske verzerrtem Gesicht: die Augen weit aufgerissenen, in die Leere starrend, aus dem offenen, grotesk verkrampften Mund tropfte blutiger Speichel. Er saß auf dem Boden vor dem Hauseingang, wiegte sein abgetrenntes Bein wie ein Baby in den Händen und greinte lautlos. Aus der Wunde knapp über dem Knie strömte helles Blut heraus und färbte die Pflastersteine scharlachrot.
    Jemand hinter dem Haus schrie wie am Spieß. Ob es ein Kind war? Es hörte sich zeitweise wie das Heulen eines wilden, bis aufs Knochenmark verletzten Tieres.
    Das Karussell der Bilder drehte sich schneller. Der Unglückliche erlebte das alles immer wieder, so nah und so echt, als ob er selbst vor diesem verfluchten Haus stand und ein Teil des Geschehens war, und nie mehr aus diesem Horror herausbrechen konnte.
    Er bekam keine Luft, seine Knie wurden weich. Er fiel rücklings hin wie ein Sack und schlug auf den Steinboden der Zelle mit dem Hinterkopf auf.
    Die Kollegen merkten bald, dass er zu lange weg war, rannten

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