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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rina Bachmann
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verarbeiteten unförmigen Steinblöcken, ein kleines, vergittertes Fenster oben in der Mauer. In der Mitte des schmalen Raums stand eine Frau etwa Mitte dreißig in einer weißen, silbern schimmernden langen Robe. Blondes, dichtes Haar glitt ihr über die Schultern bis zur Taille. Das frische, leicht rosige Gesicht mit harmonisch geschnittenen Zügen strahlte Kraft und Würde aus. Ihre ganze Gestalt war von Wärme und Gemütlichkeit umgeben. Die tiefblauen Augen blickten aufmerksam auf eine Pritsche vor ihr, auf der ein dünnes, kleines Mädchen, das offene, dunkle Haar in Zotteln über die Brust und Rücken hockte, die Knie unter dem Kinn, die schmalen Hände vor Fußgelenken verschlossen. Sein Blick schien sich noch vor der Frau in Weiß aufzulösen.
    Sie sah das Mädchen aufmerksam an und wedelte einige Male mit ihrer schmalen Hand mit langen, wohlgeformten Fingern vor seinem Gesicht.
    Keine Reaktion.
    Dann sagte sie leise aber bestimmt: „Es ist genug. Du kommst mit.“
    Die Kleine sah auf und fokussierte den Blick auf den Augen der schönen Frau in Weiß. „Wie kommt sie hierher und warum?“, fragte sie sich in Gedanken.
    „Ich habe dich gehört“, sagte die Frau und lächelte freundlich.
    „Ich habe nichts gesagt“, dachte das Mädchen.
    „Es ist nicht so, dass du etwas sagen musst. Ich höre dich trotzdem. Ich habe auch dein Lied gehört.“
    „Ich habe nichts gesungen“, erwiderte die Kleine wortlos und wandte sich von ihr ab. „Mir ist nicht gerade dem Singen nach.“
    „Dein Lied war nicht wie von jemandem, der aus Freude und guter Laune singt. Es kam von einem wunden Herzen, das den tief sitzenden Schmerz nicht verkraftet und eindeutig Hilfe braucht.“
    „Es hat aber sonst keiner gehört“, zuckte das Mädchen die Achsel und blickte zum kleinen, vergitterten Fenster hoch.
    Ein frischer Windzug kam herein.
    „Ich schon“, erwiderte die Frau in Weiß. „Das hörte sich eher wie ein endloses Heulen an. Es war so hoch, dass keiner von den Menschen es wahrnehmen konnte. Nur die Vögel und ich. Der Wind brachte es zu mir.“
    Die Kleine saß mit dem ausdruckslosen Gesicht da, schwieg und blickte an ihr vorbei.
    „Mal hörte es sich wie ein Todesschrei einer Frau an, mal wie ein Japsen eines Mannes beim letzten Atemzug, mal wie ein trostloses Schluchzen eines Kindes, das vor Schmerz und Entsetzen keinen Halt mehr findet. Es klang immer höher, eindringlicher, hoffnungsloser. Und es brach nie ab. Mir war, als ob mein Herz kurz vor dem Bersten stand. Ich reiste dem Klagen nach und sah dich hier, allein im hohen Turm zwischen den kalten Mauern.“
    „Ich dachte, du bist eine Eule.“ Das Mädchen starrte die Frau an.
    „Ich nehme gelegentlich diese Gestalt an, wenn ich abends unterwegs bin. So ist es am einfachsten“, lächelte sie. Leise Freude spiegelte sich in ihren Augen. Sie blickte zum Fenster hoch.
    Es dämmerte.
    „Du kommst am besten einfach mit. Du wirst zu einer Maus, solange wir unterwegs sind, so kann ich dich besser mitnehmen.“
    Die Kleine sah lange die Frau in Weiß an. Der Schrei erlosch auf einmal.
    „Gut so“, atmete diese erleichtert aus. „Bei mir wirst du es gut haben. Es wird dir bestimmt gefallen.“
    „Bist du eine Fee?“, fragte das Mädchen. Neugier spiegelte sich in den schwarzen, traurigen Augen.
    „Nein.“ Die Frau bewegte lächelnd den Kopf langsam von links nach rechts. „Aber wir haben welche bei uns in der Oberwelt. Der Große Wald, auch der Magische genannt, ist ein schönes Zuhause für viele Wesen, hier auch die Fabelwesen genannt, die es in der Menschenwelt kaum noch gibt. Sie sind bei uns alle willkommen und fühlen sich auch wohl dort. Du wirst sie mit der Zeit bestimmt alle kennenlernen. Also stell dich hier hin.“ Sie zeigte auf die Stelle vor ihr. „Ich muss dich für die Reise vorbereiten."
    Die Kleine stand von der Pritsche auf, strauchelte, blieb aber auf den Beinen.
    „Du meine Güte!“, entwich es der Frau in Weiß. Sie fing sich sofort und lächelte aufmunternd. „Keine Sorge. Das werden wir schon richten. Sag mir eben schnell deinen Namen.“
    „Ich weiß es nicht“, zuckte das Mädchen die Schulter, das Gesicht wieder leer.
    „Ich brauche deinen Namen, damit ich dich mitnehmen kann.“ Die Magierin sah es durchdringend an. Ein Anflug von Beunruhigung lag in ihrem Blick.
    Die Kleine schüttelte entschieden den Kopf. „Ich weiß es nicht“, sagte sie wieder.
    „Das kann nicht sein. Jeder weiß seinen Namen. Ich heiße

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