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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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ausgedörrten Grün der Commonwealth Avenue durchschnitten wurde. Dahinter lag das Charles River Basin, auf dessen nördlicher Seite eine Motorjacht vom Bootsanleger losmachte.
    „Sehen Sie es, mein Junge? Eine ganze Stadt liegt Ihnen zu Füßen. Sie wartet nur darauf, von Ihnen erobert zu werden.“
    Überrascht wandte ich mich um und sah Hawthorne im Türrahmen stehen. Wie lange mochte er mich schon beobachtet haben? Ich fühlte mich ertappt und sprang aus meinem Sessel auf.
    „Mr. Hawthorne.“
    Mit einem Mal zweifelte ich an meinem Erfolg und der Richtigkeit meines Vorgehens.
    „Wegen Jack - ich musste …“
    „Lassen Sie nur, mein Sohn. Lassen Sie nur. Sie haben exakt das Richtige getan. Margery hat mir alles erzählt.“
    „Wie wird es weiter gehen? Was passiert nun mit Jack?“ fragte ich, erleichtert und dankbar für Hawthornes Absolution.
    „Jack wird Urlaub machen. Einen sehr langen Urlaub. Ob er jemals wieder zurückkommt? Wer kann das sagen. Er hat nachgelassen, war dem Druck nicht mehr gewachsen. So etwas passiert. Früher oder später trennt sich die Spreu vom Weizen. Ich habe es in meinen vielen Jahren unzählige Male erlebt. Viele gehen irgendwann auf die Knie. Nur die Besten stehen unbeugsam bis zum Ende. Und genau so muss es auch sein. Das ist die natürliche Ordnung.
    Bevor wir uns über Jack den Kopf zerbrechen, sollten wir lieber die Möglichkeiten ins Visier nehmen, die diese unschöne Episode für Sie bieten könnte. Wenn Jack wegfällt, ist eine Partnerschaft neu zu besetzen. Und wer könnte sich besser eignen als der Mann, der uns Magnon gesichert hat? Ich bin sehr geneigt, Sie zu gegebener Zeit vorzuschlagen.“
    Ich jubilierte innerlich bei diesen Worten. Niemals zuvor war ich meinem Ziel so nah gewesen. Die Anordnungen geringerer Männer waren nichts verglichen mit Hawthornes Vorschlägen.
    „Vielen Dank, Sir. Das wäre eine große Ehre für mich.“
    „Das wäre es. Zweifelsohne. Bis es so weit ist, werden Sie unmittelbar für mich arbeiten.“
    Allein diese Ankündigung kam einem Ritterschlag gleich. Hawthorne nahm nur die Besten unter seine Fittiche. Alle, die es überlebt hatten, für ihn zu arbeiten, waren anschließend Partner geworden. Von den anderen hörte man nichts mehr.
    Aber wer interessierte sich schon für Versager? Ich würde es schaffen und mehr noch als das. Und dann würde ich Geld verdienen. Richtiges Geld. Was ich mir eines Tages nicht alles leisten würde:
    Der alte Westbury hatte ein prachtvolles Haus und wunderbare Gärten auf Long Island besessen. Ich würde ihm nacheifern. Ich würde ihn sogar noch übertreffen, ein ewiges Monument meiner Größe errichten, einen fürstlichen Landsitz – so wie zu seiner Zeit Cannons, das Anwesen des Duke of Chandos, der sich dort Georg Friedrich Händel als Hauskomponisten gehalten hatte. Timons Villa würde bescheiden wirken im Vergleich; jeder Papst und Pope müsste einen Lobgesang auf meinen Geschmack anstimmen.
    In Boston würde ich ein unanständig großzügiges Apartment unterhalten, in Aspen ein Chalet und daneben ein Strandhaus auf irgendeiner verschwiegenen Karibikinsel – nach Möglichkeit zusammen mit einem gut gefüllten Offshore-Konto für schlechte Zeiten.
    Ich würde eine Jacht mein eigen nennen, wie ich sie gerade in der Ferne gesehen hatte, eine gewaltige, schneeweiße Herrin der See, und in den mondänsten Häfen der Welt anlegen.
    Die hübschesten Frauen würden mich bewundern und ihre Ehemänner und Verehrer mich beneiden. Dafür würde ich sorgen.
    So malte ich mir meine glorreiche Zukunft in bunten Farben aus, spielte das Geschehene wieder und wieder in meinen Gedanken ab und genoss den Triumph.
    DeVere wollte mich für Magnon. Hawthorne wollte mich als Partner von Westbury Hawthorne & Clarke.

7.   Kapitel

 
 
    Gegen 17.00 Uhr – weit früher als üblich – machte ich mich auf den Weg zurück zu meinem Apartment. Hawthorne hatte darauf bestanden, dass ich an diesem Tag meinen Erfolg feierte. Morgen würde ich Jacks Büro beziehen, das doppelt so groß und weit luxuriöser ausgestattet war als meines und unter der Aufsicht von Hawthorne von nun an Jacks Fälle allein bearbeiten.
    Vom Auto aus wählte ich Craig Gordons Nummer. Craig war schon mit mir zur Schule gegangen und inzwischen mein bester Freund geworden. Er war definitiv jemand, mit dem man feiern konnte.
    „Hi, Craig! Ethan hier.“
    „Hey, Ethan, wie schaut’s?“
    „Könnte nicht besser sein. Habe gerade einen fetten Fisch

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