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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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gewesen, Sandy zum Beispiel, wäre ich vielleicht so vorgegangen. Aber mit meiner Bruderrolle konnte ich mich noch nicht so ganz anfreunden. Sie machte jede Annäherung übermäßig uneindeutig. Eine eindeutige Annäherung aber würde Annabell zu wenig Spielraum belassen, darauf zu reagieren, wäre plump und wenig elegant.
    Während ich in dieser Weise ungewöhnlich unentschlossen über meine Taktik nachdachte, weiterhin darüber nachdachte, ob ich überhaupt eine Taktik entwickeln sollte, rückte Annabell plötzlich zu mir heran und legte ihren Kopf an meine Schulter. Da war er wieder, der elektrische Schauer.
    „Ich bin froh, dass Du da bist, Ethan“, sagte sie leise. „Ich muss zugeben, bevor wir uns getroffen haben, hatte ich ein bisschen Angst vor Dir.“
    Dazu hast Du jetzt noch umso mehr Grund, dachte ich. „Vor mir?“
      „Na ja, davor, dass wir uns nicht ausstehen könnten oder dass Du es mir übel nehmen könntest, dass Dein Vater und Deine Mutter sich getrennt haben. Aber jetzt bin ich froh. Ich freue mich, dass ich noch einen Bruder habe, dass da noch jemand ist – jetzt da Oma Eugeny von uns gegangen ist.“
    Ich war hin und her gerissen. Einerseits war das genau das, was ich mir gewünscht hatte. Sie ganz nah bei mir. Ich hätte nun ganz selbstverständlich meinen Arm um ihre Schultern legen können. Und doch tat ich es nicht. Warum zögerte ich? Ich weiß nicht, ob ich mich in dem Augenblick schämte. Für meinen Groll auf sie. Für meinen Plan, sie zu verführen. Jedenfalls konnte ich die Sache nicht vorantreiben. Also saß ich nur reglos da, fühlte Ihren warmen zarten Körper an meiner Schulter, ihren Arm auf meinem Arm, sah hinaus aufs Meer, über das die Dämmerung ihren weiten samtenen Mantel ausbreitete, und lauschte der sanften Brandung und Annabells gleichmäßigem Atmen.

23.      Kapitel

 
 
    Wir saßen auf der Bank auf dem Plateau, bis es dunkel war und der volle Mond sein traumwandlerisches Licht über die Wellen warf und die Landschaft mit einem silbrigen Schimmer anstrich. Unzählige Sterne funkelten geheimnisvoll aus einem wolkenlosen Himmel auf uns herab und ich frage mich, ob ihre Jahrtausende alte Weisheit sie die Ereignisse erahnen ließ, die vor uns lagen.
    Es war auf schreckliche Weise wundervoll, Annabell so dicht bei mir und doch so unerreichbar zu erleben. Ich versuchte, mir diesen süßen Schmerz einzuprägen, damit ich ihn wieder und wieder würde durchleben können, und als es Zeit war, zum Haus zurück zu gehen, fiel es mir schwer, den Augenblick vorüber fließen zu lassen, denn ich wusste, er würde niemals mehr zurück kehren.
    Später lag ich in meinem neuen Himmelbett mit den geblümten Vorhängen wach und versuchte, mich in Gedanken wieder auf die Bank zu versetzen. So sehr ich mich auch bemühte, es wollte mir nicht vollkommen gelingen. Die Erinnerung war nur ein fader Abglanz und ich wälzte mich ruhelos hin und her.
    Nur ein Zimmer weiter, getrennt durch eine einzige Wand schlief meine Nymphe. Ich hatte sie zu ihrer Zimmertür geleitet und wir hatten einander eine gute Nacht gewünscht. Die Courage, ihr einen brüderlichen Gutenachtkuss zu geben, hatte ich nicht besessen, und so musste ich mich mit der Frage quälen, wie es wäre, wenn meine Lippen diese zarten Wangen oder gar ihre eigenen Schwestern berührten.
    Ob es Annabell ebenso erging? Konnte auch sie nicht schlafen? Ich bezweifelte es. Sie hatte einen Bruder bekommen, bei dem sie sich sicher fühlte. Wahrscheinlich schlief sie tief und fest. Träumte sie von mir? Warum sollte sie. Im Diner hätte ich meine Partnerschaft darauf verwettet, dass die Kleine mich attraktiv gefunden hatte. Wie sie mir zugelächelt hatte, als sie an mir vorbei gegangen war. Wie eine Aufforderung, ihr nachzulaufen. Noch am Nachmittag war ich mir sicher, dass es so war. Aber nun, da sie wusste, wer ich war, dass wir verwandt waren? Ihr weibliches Interesse war schwesterlicher Zuneigung gewichen. Auch mich hatte die Tatsache, dass sie die Schwester war, bei der ich wohnen sollte, wie ein Schlag getroffen. Aber merkwürdigerweise tat das meiner Begierde keinerlei Abbruch.
    Abstrakt gesehen war mir die Vorstellung, meine Schwester so überaus anziehend zu finden, peinlich. Es hatte etwas Widernatürliches, irgendwie Abstoßendes. Inzestbeziehungen waren eines der letzten Tabus und in vielen Rechtsordnungen verboten. Ich suchte im Internet nach der Regelung in unserem Staat. Das Inzestverbot war in Kapitel 272 Sektion

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