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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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fröhlich. „Setz Dich doch zu uns.“
    „Guten Morgen, Richter“. Mein Tonfall war bewusst freundlich aber um einige Nuancen kühler.
    „Du kommst gerade noch rechtzeitig“, sagte Annabell. „Möchtest Du mit uns frühstücken?“
    „Nein, vielen Dank, Liebes. Ich wollte mich nur davon überzeugen, dass ihr beide gut geschlafen habt, das heißt, ob Mr. Meyers hier in South Port seine Zelte aufgeschlagen hat, wie ich … wie er es … in Erwägung gezogen hatte.“
    Der Bastard sah mich mit einem vielsagenden Lächeln an.
    „Hier zu nächtigen bot sich einfach an, nicht wahr?“, erwiderte ich impulsiv und fügte, als Annabell mich fragend ansah, freundlich hinzu, „Man hat schließlich nicht jeden Tag die Gelegenheit, seine kleine Schwester kennenzulernen. Ich habe sogar beschlossen, die ganze nächste Woche hier zu verbringen.“
      „Das ist ja wunderbar.“ Annabell strahlte.
    Mein Herz klopfte schneller. Sie freute sich, dass ich hier blieb.
    Der Richter bedachte mich mit einem herablassenden Siegerlächeln. „Nur zu, Meyers. Tun Sie das. Wenn die Langeweile Sie hier in der Provinz überkommen sollte, lassen Sie es mich nur wissen. Dann fahren wir mal raus zum Fischen. Der Reverend wollte auch demnächst wieder einmal mitkommen.“
    Ich konnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit diesen beiden Fossilen meine Zeit zu verbringen – womöglich auch noch, ohne dass Annabell mitkam. „Danke für das Angebot, Richter. Heute geht es erst mal mit den Kindern an den Strand.“
    Bei dem Wort „Kinder“ sah Annabell mich missbilligend an, ließ es aber auf sich beruhen und fragte stattdessen: „‚Mr. Meyers’, ‚Richter’. Wollt Ihr Euch nicht beim Vornamen nennen. Ethan gehört doch jetzt zur Familie, Onkel Charlton.“
    „Da hast Du recht , mein Kind. Meyers! Ich meine, Ethan. Wenn Du magst, sag doch Onkel Charlton zu mir.“ Das Angebot klang freundlich und doch hatte ich den Eindruck, ein gewisses Unbehagen zu spüren. Falls dem so war, beruhte es auf Gegenseitigkeit.
    „Besten Dank … Onkel Charlton.“
    Allein ‚Onkel’! Jetzt sollte der alte Zausel auch noch mein Rufonkel werden.
    Dieser machte aus der Not eine Tugend und sagte: „Das sollten wir begießen! Annabell, hat Eugeny noch Tonic Water und ein wenig Gin im Haus? Du magst doch einen kleinen Gin Tonic, Ethan?“
    „Aber Onkel Charlton, es ist doch noch nicht mal Mittag.“ Annabell schüttelte den Kopf.
    „Lass nur Annabell. Der Richter und ich vertragen das schon.“ Ich ging in die Küche und mixte die Getränke: für mich Tonic Water mit einem Tröpfchen Gin, für Rutherford ein Glas Gin mit einem Hauch Tonic Water. Das Ganze on the Rocks mit einer Scheibe Zitrone.
    Wenn ich allerdings gehofft hatte, Rutherford würde sich daran verschlucken, so wurde ich enttäuscht. „Eine gute Mischung, mein Junge!“, sagte er anerkennend, nachdem er den ersten Schluck probiert hatte. „Camille – also Ms Sunley – Du hast sie ja kennengelernt – bekommt ihn nicht so gut hin.“
    Während der Richter sich also einen kleinen Rausch antrank und mit uns – vorwiegend mit Annabell – über Belanglosigkeiten plauderte, dachte ich über den weiteren Tagesablauf nach. Die anderen wollten gegen Mittag zum Strand kommen und für mich stellte sich die Frage, was ich wohl anziehen sollte. Ich konnte kaum in meinen Sachen von gestern gehen. Wenn ich nicht kurzfristig nach Boston zurück wollte, brauchte ich dringend eine Grundausstattung für die nächsten Tage.
    Also fuhren wir in die Stadt.
    „Mach Dir keinen Kopf wegen der Cops, Ethan. Es war schließlich nur ein kleines Gläschen“, sagte Rutherford im Hinblick auf unseren Frühschoppen. Er wirkte nach dem Gin-Konsum merklich entspannter und aufrichtig freundlich. „Ich fahre voraus. Wenn uns jemand anhält, regle ich das schon. Ich kenne meine Jungs – und ihren Captain.“
    Mit einem Abschiedsgruß stieg er in sein weißes Cadillac Eldorado Cabriolet aus den siebziger Jahren und setzte sich gemächlich in Bewegung.
    Ich ließ ihm ein paar Minuten Vorsprung, fuhr ebenfalls das Verdeck hinunter und wir nahmen mühelos die Verfolgung auf.
    „Wow. Ist ein echt cooler Wagen, den Du da hast.“ Begeistert hielt Annabell eine Hand in den Fahrtwind. „Der muss doch ein Vermögen kosten?“
    „Kommt drauf an, was man unter einem Vermögen versteht“, antwortete ich betont großspurig, „aber Du liegst nicht ganz falsch.“
    Sie war mit den Annehmlichkeiten des Lebens also zumindest

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