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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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sich ansehen sollten, Serge‘ - im Zimmer der Kleinen … ich meine, von Miss Meyers.“
    „Was ist es denn, Karl?“ Crawford erhob sich gemächlich, Annabell stürmte schon aus der Küche. Crawford und ich folgten Karl die Treppe hinauf.
    Annabell stieß einen gedämpften Schrei aus, als wir im oberen Flur ankamen. Mit zwei Sätzen war ich bei ihr und schloss sie in die Arme. Ein Blick in ihr Zimmer machte unzweideutig klar, dass die Cobra sich durch unser Schlüsselloch geschlängelt haben musste.
    Armer Anthony!
    An der Deckenlampe war ein dünner Strick aus rotem Garn befestigt und an diesem baumelte in Augenhöhe, eine Schlinge um den Hals, der Plüschbär. Die Bilder über dem Bett waren auf dem Fußboden zertrümmert worden. An ihrer Stelle stand in kruden Buchstaben, die mit rotem Lippenstift an die Wand geschmiert waren:
    „Hallo, mein kleiner Liebling! Ich warte auf Dich.“
    Dieses Schwein. Annabell klammerte sich an mir fest und war dabei, die Fassung zu verlieren. Ich versuchte, sie zu beruhigen:
    „Hab keine Angst. Dir geschieht nichts. Ich bin doch bei Dir.“
    Karl schnitt Anthony von der Decke, löste den Strick und reichte Annabell den Bären. Wir gingen nach unten und überließen den Polizisten das Zimmer.
    „Wir haben zumindest eine Schriftprobe und ich bin mir sicher, dass der- oder diejenigen, die da ihr Unwesen getrieben haben, DNA-Spuren hinterlassen haben. Haare, Hautpartikel und dergleichen. Vielleicht sogar Fingerabdrücke. Wir fordern Spezialisten aus Plymouth an, die sich darum kümmern. Bis dahin sollte niemand mehr in das Zimmer gehen. Unser Chief hat nach einem Gespräch mit Ihrem Onkel, Miss Annabell, klar gemacht, dass er Köpfe rollen lässt, wenn wir in diesem Fall schlampen. Machen Sie sich keine Sorgen. Ich lasse Ihnen einen Mann über Nacht da.“
    Das Spurensicherungsteam sollte am kommenden Morgen eintreffen. Es war daher nur folgerichtig, Annabell in meinem Zimmer schlafen zu lassen. Ich würde es mir auf dem Sessel gegenüber dem Bett gemütlich machen. Als ich die Bettdecke hochschlug, um meinen Pyjama zu holen, wich ich vor Schreck einen Schritt zurück.
    „Unter dem Bett wartet eine Überraschung“.
    Ein Bogen Papier mit derselben Schrift wie an der Wand in Annabells Zimmer fletschte mir die Zähne.
    Ich vergewisserte mich, dass Annabell nicht in der Nähe war. Das Letzte, was sie zu diesem Zeitpunkt gebrauchen konnte, war weitere Aufregung. Schnell sah ich unter das Bett und zog ein Lumpenbündel hervor.
    Was für ein Gestank! Ranzig. Was hatte der glatzköpfige Bär mir da hinterlassen? Verschimmelte Unterwäsche?
    Angewidert legte ich mit spitzen Fingern den Inhalt frei: Eine weitere Nachricht und etwas, das in alte Zeitungen eingewickelt war, die nach Fisch stanken.
    Ich las die Nachricht.
    Es lief mir eiskalt den Rücken hinunter.
    Dieser verdammte Hurensohn! Wenn ich ihn das nächste Mal sah, würde ich ihn zu Brei schlagen, bis er sich nicht mehr regte. Darauf konnte er sich verlassen. Und ich würde schon sehr bald Gelegenheit haben, ihn zu sehen.
    „Hallo, großer Bruder“, stand da. Woher wusste dieser Freak, wo wir wohnten und dass Annabell meine Schwester war? „Wir haben noch etwas zu besprechen. Komm zur Kapelle auf dem alten Friedhof. Morgen um Mitternacht. Komm allein. Wenn Du die Bullen einschaltest, dann …“
    Dann was? Ich wickelte vorsichtig das Päckchen aus. Es enthielt eine von Annabells Puppen. Das Gesicht der Puppe war angeschmort und an mehreren Stellen aufgeschlitzt, auf ihrer Brust war ein großes A eingeritzt. A wie Annabell. Der Kunststoff zwischen den Beinen der Puppe war an zwei Stellen aufgebrochen. Die Ränder der ausgefransten Wunden und die Vorder- und Rückseiten der Oberschenkel zeigten Tropfen von rotem Nagellack.
    Mir wurde übel. Ich musste mich auf das Bett setzen, um dem Schwindelgefühl nicht zu unterliegen.

37.      Kapitel

 
 
    Kurz vor Mitternacht parkte ich am Samstag meinen Wagen an der schmalen Brücke, die zu dem alten Friedhof von South Port führte. Der Friedhof lag abgeschieden am Rande eines Wald- und Sumpfgebiets an der westlichen Stadtgrenze. Er stammte aus der Zeit der Stadtgründung im Jahre 1647. Robert Devereux, der der Legende nach die Stadt als südlichen Hafen von Plymouth gegründet hatte, nachdem er, einer Affäre mit einer verheirateten Frau bezichtigt, die Stadt der Pilgerväter verlassen hatte, lag angeblich unter der dortigen Kapelle begraben. Seit dem die Stadt im Jahre 1943 ein

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