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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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rechten Wangenknochen, seine traf mich rechts über dem Kinn. Meine Unterlippe platzte auf, warmes Blut sammelte sich in meinem Mund. Ich schluckte es hinunter und konnte einem weiteren Hieb ausweichen. Mein Gegner war, wie schon bei unserer ersten Begegnung, langsamer. Mein nächster Schlag landete auf seiner Schläfe. Er taumelte zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel nach hinten. Schon war ich über ihm und begann wie von Sinnen auf ihn einzuschlagen. Diese Lektion musste sitzen.
    Er wehrte meine Schläge ab so gut er konnte. Seine Zuversicht bröckelte. Ein Schatten von Furcht verdunkelte seine Augen.
    „Schluss jetzt!“, fauchte eine hohe Männerstimme und mit diesen Worten wendete sich das Blatt.
    Ich wurde nach hinten gerissen und landete auf dem Rücken. Vier massige Arme, dicker als meine Oberschenkel, drückten mich zu Boden, Hände wie Schraubstöcke pressten in mein Fleisch und es war, als müssten die Knochen meiner Oberarme jeden Moment brechen.
    Verdammt! Der Glatzkopf hatte Verstärkung mitgebracht. Als ob ich nicht so etwas geahnt hatte.
    „Hoch mit ihm!“, zischte die Stimme und fuhr an meinen Gegner gewandt fort: „Und Du mach, dass Du auf die Beine kommst! Das ist ja erbärmlich! Lässt Dich von so einem Muttersöhnchen aufs Kreuz legen. Nicht zu fassen, dass meine Mutter Dich ausgeschissen hat. Ich hab immer gesagt, es muss die Sau von irgendsoeinem Schweineficker gewesen sein.“
    Zwei Muskelprotze mit Vollbärten, auf dem Kopf so kahl geschoren wie mein Glatzkopf, stellten mich mühelos auf die Beine. Die beiden trugen ebenfalls die Motorradkluft mit dem Emblem des flammenden gehörnten Totenschädels mit den zwei gekreuzten Messern. Sie drehten mich um, so dass ich der Kapelle zugewandt war, und hielten mich in ihrem stählernen Griff. Auf den Stufen der Kapelle, an jeder Seite flankiert von zwei Mitgliedern seiner Gang, stand die Stimme.
    Der Mann war weder von massiger Gestalt noch riesig. Ich schätzte ihn einen halben Kopf kleiner als ich. Er trug einen weiten schwarzen Mantel und hohe schwarze Lederstiefel mit glänzenden Metallkappen an den Spitzen. Sein langes dunkelblondes Haar fiel offen um die Schultern.
    Die Männer waren alle deutlich älter als der Glatzkopf. Sie mussten zwischen dreißig und vierzig Jahre alt sein.
    Der Glatzkopf hatte sich aufgerappelt und trat, an Mund und Schläfe blutend, auf den Mann zu, der offenbar sein Bruder war.
    „Er kämpft nicht wie ein Muttersöhnchen. Ich hab Dir gleich gesagt, …“
    Sein Bruder schlug ihn mit der flachen Hand links und rechts ins Gesicht.
    „Halt Dein verdammtes Maul und geh mir aus den Augen.“
    Seine Stimme brach vor Zorn. Er kreischte regelrecht. Der Glatzkopf jaulte auf und wich zurück. Sein Bruder kam auf mich zu und baute sich vor mir auf. Er musterte mich abschätzig. Seine Augen lagen in tiefen Höhlen und waren zu schmalen Schlitzen zusammengezogen. Ein irrer Ausdruck lag darin, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Rund um seinen Hals züngelten eintätowierte Flammen. Sie standen also wohl alle auf Flammen in dieser Gang – zu heißen Typen machte sie das für meinen Geschmack nicht. Doch dieser Mann war anders als sein Bruder. Mein Glatzkopf war ein kleiner Gauner. Ein tumber Mitläufer. In seinem Bruder dagegen brannte tatsächlich ein diabolisches Feuer.
    „Du hast meinen kleinen Bruder geschlagen“, zischte er. „Niemand wagt es, meinen kleinen Bruder zu schlagen. Weißt Du, wer ich bin?“
    Er legte seine Hand um meine Kehle und presste mir die Luft ab. Sein Griff war kräftiger als seine Statur vermuten ließ. Das Blut staute sich in meinem Kopf und pochte gegen meine Stirn. Ich versuchte, meine Arme zu befreien, aber gegen den Griff der beiden Schläger konnte ich nichts ausrichten. Ich versuchte, mich zu winden, doch ich konnte mich nicht bewegen. Mein Kopf drohte zu explodieren. Panik breitete sich in mir aus. Der Teufel genoss den Anblick.
    Er kam ganz nah an mein Gesicht heran und hauchte mit süß-säuerlichem, knoblauchgeschwängertem Atem: „Ich bin Dein Tod.“
    Dann zog er die Hand abrupt zurück. Ich schnappte nach Luft.
    „Hast Du mir etwas zu sagen? Wenn Du um Gnade winselst, wird es vielleicht schnell gehen.“
    Er war verrückt. Ich bezweifelte nicht einen Moment lang, dass er es ernst meinte. Ich war einer Bande von Irren in die Hände gefallen.
    Ich tat das einzig Vernünftige, was man in dieser Situation tun konnte: Ich spie ihm ins Gesicht.
    Er starrte mich an. In

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