Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
neugeborenes Kind. Ja eben. Und ich bekomme dann die verschränkt gestrickten Ränder und die randlosen Fausthandschuhe in den Laden, und dann stricke ich auf Bestellung Namen hinein und füge sie aneinander. Und du, Tante - nein, warte, da ist noch mehr - sag doch Fräulein Holmgren, daß sie vor allen Dingen Damenhandschuhe stricken möchte, normale Größe, nach denen wird am meisten gefragt - und Tante, glaubst du, du könntest einige Herrenfausthandschuhe übernehmen? Nehmt vorläufig die Muster, die ihr habt, im Laufe der nächsten Tage bekommt ihr neue. Und wenn du noch mehr Frauen kennst, die stricken möchten.“
Annes glühender Eifer steckte an. Diese alten Damen, die untätig herumgesessen und sich mit Blumenpflege und Kartenspielen die Zeit vertrieben hatten, hier und da auch mit etwas Handarbeiten, sie fühlten sich plötzlich wichtig und unentbehrlich. Die Stricknadeln klapperten, und die Unterhaltung ging lebhaft, und sogar das alte, halbblinde Fräulein Hammerstad, die jahrelang nichts anderes hatte tun können, als Topflappen zu stricken, saß selig da und strickte zwei rechts, zwei links - es war ihr Los geworden, „verschränkt gestrickte Ränder ohne Handschuh“ zu stricken.
Tante Adethe war nicht umsonst ehemalige Lehrerin. Sie organisierte das Damenstift, wie sie in früheren Zeiten die Arbeit in ihren Klassen organisiert hatte. Sie ging vom einen zum andern und kontrollierte die Arbeit und gab gute Ratschläge. Die alten Damen saßen und rechneten und zählten zusammen, wieviel sie bis Weihnachten verdienen könnten - in diesem Jahr wollten sie ihren Verwandten Geschenke machen, die von selbstverdientem Geld gekauft waren.
Es stellte sich heraus, daß der Zeitpunkt für die Geschäftseröffnung gar nicht übel gewählt war. Das große Schild im Fenster: „Weihnachtsbestellungen werden jetzt entgegengenommen“, tat das Seine. Und Anne war im Grunde froh, wenn die Kunden etwas bestellten und nicht nur über den Ladentisch kauften, ihr Lager war sehr zusammengeschmolzen, es mußte so schnell wie möglich wieder aufgefüllt werden.
Anne rackerte sich ab wie ein Kuli. Das schlimmste war, daß sie keinen Augenblick das Geschäft verlassen konnte - abgesehen von der kurzen halben Stunde, wenn Frau Askelunds kleine Sekretärin von der Redaktion zu ihr herunterkam. „Frau Askelund läßt fragen, ob Sie heraufkommen und mit ihr Tee trinken möchten, ich soll inzwischen auf den Laden aufpassen.“
Diese kurze halbe Stunde war für Anne Gold wert. Dann spannte sie aus und unterhielt sich mit Frau Askelund über alles andere, nur nicht über Journalistik oder Stricken. So kam es, daß die beiden sich mit der Zeit gut kennenlernten, und zwar auf ganz und gar menschlicher Grundlage. Frau Askelund konnte nicht müde werden, von Annes bewegter Schulzeit zu hören mit Hausarbeit und Stricken und Bedienen bei Diners, und sie wollte gern die Bilder von der Möwenbucht sehen.
Lange saß sie vor einem Bild von Mutter Kristina und schaute es an.
„Was hat Ihre Mutter doch für ein wunderbares Gesicht, Frau Daell“, sagte sie. „Die möchte ich wirklich gern einmal kennenlernen.“
„Das werden Sie auch sicher“, versprach Anne. „Es steht auf meinem Programm - sobald ich es mir einigermaßen leisten kann, werde ich sie hierher einladen. Das heißt, natürlich erst, wenn ich eine eigene Wohnung habe!“
„Und das wird zum Frühjahr sein?“
„Ja, so hatten wir es uns gedacht. Wenn ich bis dahin nur genug Geld zusammenkratzen kann.“
„Wir werden weiterhin Reklame für Sie machen“, sagte Frau Askelund.
Sie wußte aus Erfahrung, was es hieß, sich abzurackern. Sie hatte bei einer Zeitung als Volontärin von der Pieke auf gearbeitet, hatte sich mit zäher Geduld ‘rauf gearbeitet, war befördert worden und hatte zuletzt eine recht gute Stellung an einer Tageszeitung gehabt -„Reportagen und Interviews waren meine Spezialität“, erklärte Frau Askelund. Dann heiratete sie einen Belgier und wurde zwei Jahre später Witwe.
„Ich glaube, meine Ehe wäre früher oder später in die Brüche gegangen, wenn mein Mann nicht gestorben wäre. Es ist so merkwürdig, wenn man in eine fremde Sprache hineinheiratet, um es einmal so auszudrücken“, sagte Frau Askelund. „Ich bin im Französischen gar nicht auf den Kopf gefallen, das war es gar nicht -aber trotzdem - nie seine eigene Sprache sprechen zu können, nicht einmal, wenn man fürchterlich wütend oder sehr glücklich ist! In jeder
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