Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
Lebenslage seine Gefühle übersetzen zu müssen - es ist ein wahrer Nervenverschleiß. Es heißt so wunderschön, wenn man sich sehr liebt, dann sind Worte überflüssig. Aber wenn etwas nicht stimmt, dann ist es das! Es ist der reinste Humbug. Sobald sich nämlich Schwierigkeiten einstellen, die man durch eine vernünftige Aussprache überwinden könnte - und man hat auch die klarsten Beweggründe für alles - und soll dann übersetzen, dann fühlt man, wie ungeschickt man ist; man kann nicht genau sagen, was man meint - es ist zum Verrückt werden! Ich behaupte, diese Sprachhindernisse waren mit die Ursache dafür, daß meine Ehe von Anfang an nicht harmonisch war.“
„Ich verstehe das“, sagte Anne. „Wenn ich daran zurückdenke, wie schwerfällig ich oft im Deutschen war, als wir in Salzburg waren - sich vorzustellen, daß ich mit meinem Mann in einer fremden Sprache verkehren müßte - nicht auszudenken!“
„Es ist auch furchtbar“, sagte Frau Askelund. „Ich finde, es macht ausgesprochen Spaß, fremde Sprachen zu sprechen, ich liebe es, im Ausland zu reisen - aber es ist immer herrlich, wieder ins eigene Land zurückzukehren! Ich habe es richtig genossen, mich im Dänischen zu tummeln, als ich nach Hause zurückkam und hier an der Zeitschrift einen Posten als Redaktionssekretärin antreten konnte.“
„Ach, Sie haben als Sekretärin angefangen?“
„Ja, und vor anderthalb Jahren wurde ich Redakteurin. Es stellte sich heraus, daß mir diese Arbeit lag, ich griff sie richtig an, und es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Zeitschrift gut geht. Sie geht sogar ganz unerhört gut, um es gerade heraus zu sagen.“
„Ich brauche also kein schlechtes Gewissen zu haben, weil Sie mich für das bißchen Arbeit, das ich für Sie tue, so fürstlich bezahlen?“ lächelte Anne.
„Nein, ich bitte Sie, sparen Sie sich Ihr schlechtes Gewissen für eine andere Gelegenheit. Möchten Sie noch mehr Tee?“
In diesem Augenblick kam das junge Mädchen von Annes Laden herauf:
„Entschuldigen Sie, Frau Daell - ich glaube, Sie müssen eben mal ins Geschäft kommen, Baronin Hegerstedt möchte Sie sprechen.“
„Großer Gott“, rief Frau Askelund aus, „haben Sie nun schon so vornehme Kunden? Also, dann laufen Sie schnell!“
Hilf, Himmel, dachte Anne. Hegerstedt, das ist ja die mit den silbernen Knöpfen - und ich habe sie nur einfach gnädige Frau genannt und weiter nichts.
Die Baronin gab eine große Herrenjacke in Auftrag, und sie legte mit Stolz einen Satz alter, echter, silberner Knöpfe auf den Ladentisch.
„Die habe ich bei einem Antiquitätenhändler gefunden“, erzählte sie Anne. „Ich stöbere mit Vorliebe in solchen Läden herum. Soll ich Ihnen Bescheid geben, wenn ich mal wieder so was finde?“
„Das wäre sehr liebenswürdig, Frau Baronin“, sagte Anne. „Ich würde gern selber durch die Antiquitätenläden laufen, aber ich bin ja hier so gebunden.“
„Ja gewiß, das verstehe ich. Aber ich werde an Sie denken, Frau Daell, wenn ich zufällig etwas finden sollte. Ja, richtig, ich will ja ein Weihnachtspaket nach USA schicken - haben Sie vielleicht Kinderfäustlinge, Frau Daell.?“
Anne mußte sich in den Arm kneifen. Es ging tatsächlich viel besser, als sie je zu hoffen gewagt hatte.
Doch anstrengend war es, und sie wünschte sich oft, jemanden zu haben, der sie ablösen konnte. Aber eine Hilfe mit festem monatlichem Gehalt anzustellen, traute sie sich nun doch nicht. Noch nicht.
Eines Nachmittags brachte Tante Adethe ein Riesenpaket mit fertigen Sachen. Anne zählte und räumte ein und zahlte Tante Adethe in bar aus.
„Kannst du es aber auch, Anne?“ fragte die Tante besorgt.
„Aber natürlich kann ich es, Tantchen! Magst du etwas Wolle mit nach Hause nehmen, oder hast du viel zu schleppen?“
„Immer her damit, mein Kind.“
Während Anne die Wolle einpackte, kamen drei Kunden zugleich, und sie mußte Tante Adethe bitten, etwas zu warten. „Höre mal“, sagte die Tante, als die Kunden abgefertigt waren. „So geht das aber nicht. Du brauchst Hilfe. Wo kann ich meine Sachen hinhängen?“
Tante Adethe stand drei Stunden hinter dem Ladentisch und war vorzüglich zu brauchen. Sie war vernünftig und geschäftsmäßig und ein Genie, wenn es galt, Summen zusammenzurechnen. Wenn sie ein Paar Herrenfausthandschuhe, zwei Paar Damenfausthandschuhe und ein Paar Sportstrümpfe verkaufte, rechnete sie im Nu alles zusammen wie die beste Rechenmaschine und verrechnete sich nie
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