Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
sagen“, flüsterte Anne. „Ich, die ich einen kleinen Jess in mir trage - ach, Eva, weißt du - es ist natürlich leichtsinnig von mir, und es zeigt, daß ich nicht genügend Verantwortungsgefühl habe und unerlaubt optimistisch bin - aber ich freue mich so unbeschreiblich auf das Kind!“
Eva nickte. Ihr Blick war voller Verständnis.
Sie stießen mit selbstgemachtem Apfelwein auf Jess an, und dann tranken sie auf Mutter Kristinas Wohl. Anne schloß die Augen und versetzte sich im Geiste nach Möwenbucht. Jetzt war zu Hause der Baum angezündet, und jetzt packten sie das große Paket aus Kopenhagen aus, Mutter saß da und strich mit ihrer rauhen Hand über den weichen, warmen Kleiderstoff aus Angorawolle, und Liv und Tores Kinder spielten mit dem prachtvollen ausländischen Spielzeug. Und Liv stellte alle Gläser und Dosen fort, nachdem sie die bunten, fremden Etiketts eingehend gelesen hatten: Pfirsiche -Ananas - Aprikosen - dänischer Schinken - dänische Leberpastete -und die schüttelten die Köpfe und lächelten sich gegenseitig zu und sagten: Die Anne - die Anne - und ihre Schwiegereltern dazu!
Mutter Kristina würde den Brief mit den französischen Briefmarken auf dem Umschlag immer wieder von vorn durchlesen, und sie würde mit Andacht die feinen, gestickten Taschentücher betrachten, die Jess in den Brief gesteckt hatte - Anne hatte ihm dazu geraten, Taschentücher zu schicken, die brauchte Mutter Kristina, und sie hatte eine kleine Schwäche für alles, was zart und schimmernd weiß war.
„Wenn alles nach meiner Nase geht“, sagte Anne, „dann muß Mutter zur Taufe herunterkommen!“
„Klar muß sie“, sagte Eva. „Ich freue mich schon schrecklich drauf, sie wiederzusehen.“
„Mir ist, als sähe ich euch beide Großmütter schon vor mir, wie ihr euch drum streitet, wer das Kind über die Taufe halten soll!“ sagte Onkel Herluf schmunzelnd.
„O nein, da gibt’s keinen Streit“, lächelte Anne. „Mutter hat zwei Enkel über die Taufe gehalten, also muß sie auf diesen hier verzichten. Denn will ich nämlich selber tragen! - Aber den nächsten, den trägst du, Eva“, beeilte sie sich hinzuzufügen.
Hoflieferant Anne
Nach Weihnachten war es im Geschäft stiller geworden. Nicht, daß Anne Anlaß gehabt hätte, mit dem Verkauf unzufrieden zu sein, er lief immer gleichmäßig weiter, und die Summe, die sie auf der Bank stehen hatte, schwoll von Woche zu Woche mehr an. Aber die wahnsinnige Hetze in der Zeit vor dem Fest hatte sich gelegt.
Aber für Anne gab es zwei Probleme, mit denen sie sich herumschlug. Auf die Dauer war es nicht durchzuführen, daß sie das Geschäft allein betreute. Jetzt kam Tante Adethe nicht mehr, sie hatte versprochen, in der Vorweihnachtszeit täglich vier Stunden mitzuarbeiten, und das hatte sie gehalten. Aber jetzt war Anne wieder allein.
Dann bekam sie ein junges Mädchen zur Hilfe. Es war die Enkelin der alten Frau Karstensen aus dem „Marie-Christine-Haus“. Die kleine Birthe Karstensen war ein liebes und wohlerzogenes Mädel und machte einen zuverlässigen und fleißigen Eindruck. Das genügte Anne. Die Fachkenntnis hatte sie selber, und mit der Zeit würde sich die kleine Birthe allerlei davon aneignen.
Das zweite Problem wog schwerer. Das betraf die Strickerinnen.
In der Hetze vor Weihnachten war Anne vielleicht nicht wählerisch genug gewesen, wenn es sich darum handelte, Heimarbeiterinnen auszusuchen. Sie war selig gewesen jedesmal, wenn sich eine neue meldete.
Aber jetzt, nach dem Fest, wo die Strickerinnen nicht unbedingt so dringend Geld brauchten, büßten viele von ihnen das Interesse ein, und die halbfertigen Arbeiten trieben sich überall in den verschiedenen Strickkörben herum. Anne mußte mahnen.
Aber es kamen auch unangenehmere Dinge vor.
„Heute kam eins von den Mädels, die hätte ich erwürgen können“, erzählte Anne, als sie ziemlich abgespannt vom Geschäft nach Hause kam. „Sie strickt anständig und hatte eine Sonderbestellung übernommen - mit meiner allerfeinsten Wolle aus der Möwenbucht - und ich mußte drängen. Und dann kommt sie doch tatsächlich mit der Jacke an und hat sie mit der Maschine zusammengenäht! Ich kann euch sagen, ich hatte eine Arbeit, um die Maschinennähte wieder aufzutrennen und die Schultern auseinanderzunehmen, denn ich mußte sie doch zusammenmaschen.“
„Entschuldige, wenn ich danach frage“, sagte Eva kleinlaut. „Wie muß denn eine ordentliche Jacke zusammengenäht werden?“
„Eva!
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