Anne - 03 - Anne - 03 - Anne, der beste Lebenskamerad
der Fall sonnenklar“, erwiderte Anne. „Meine erste Tochter wird, mit oder ohne Jess’ Zustimmung, Eva Kristina getauft. Daß ihr es wißt!“
„Gut“, erwiderte Onkel Herluf. „Nun bin ich nur noch gespannt, ob das Kind mich Großvater oder Opa nennen wird.“
„Armer Onkel Herluf, was hast du aber auch für Sorgen“, sagte Anne mitleidsvoll. „Wir wollen hoffen, daß es Zwillinge werden, Onkel Herluf. Dann kann der eine dich Großvater nennen und der andere Opa.“ Onkel Herluf seufzte tief auf.
„Furchtbar“, sagte er. „Und solch ein Mädel mit diesem schrecklichen Mundwerk kann einem so ans Herz wachsen!“
„Ja, ist es nicht zum Davonlaufen?“ rief Eva.
„Familienfehler“, sagte Anne trocken.
Von Jess kamen glückliche Briefe, die von Arbeit und Mühen und Erfolg und Fortschritt kündeten. Es war so gekommen wie Anne vorausgesagt hatte: Jess hatte einige Schüler, die ihm Maestro Martiani verschafft hatte. Und Jess hatte zweimal im französischen Funk dirigieren können. Er studierte und lernte und saß die halben Nächte auf und paukte Partituren auswendig, und war bei aller Arbeit glücklich.
„Genau dazu bin ich geboren“, schrieb Jess begeistert. „Und ich denke tagtäglich mit Dankbarkeit an Euch drei zu Hause, Euch drei wunderbare Menschen, die Ihr mir dies alles durch Eure Fürsorge ermöglicht.“
„Da übertreibt Jess aber“, sagte Anne. „Wenn er mich nicht geheiratet hätte, dann wäre er jetzt frank und frei und könnte ohne die geringsten Gewissensbisse all sein Geld für sich verbrauchen.“ „Tja“, sagte Onkel Herluf, „das weiß ich nun doch nicht so ganz. Wäret ihr noch nicht verheiratet, dann würde Jess sich wohl trotzdem anstrengen, Geld für Wohnung und Aussteuer zurückzulegen. Du mußt einsehen, Anne, daß du einen Einsatz leistest - nach allem zu urteilen, wirst du diejenige sein, die zu Anfang, wenn ihr einmal eine Wohnung habt, alle Ausgaben bestreitet.“
„Ja, und noch eins, Onkel Herluf - wenn mein Geschäft wirklich so gut weitergeht, dann kann ich Jess auch für die Zukunft eine gute Stütze werden. Er braucht zum Beispiel nicht den ersten besten Posten als Dirigent in einem kleinen, lausigen Orchester anzunehmen - er kann sich Zeit lassen, er kann zum Beispiel auf eine Europatournee gehen, ehe er sich zu Hause niederläßt - er kann sich als ein freier Mann fühlen, der nicht daran zu denken braucht, Geld für die Miete und das tägliche Brot zu verdienen - wenn also, wie gesagt, das Stricken weiterhin so viel abwirft.“
„Weißt du noch, Anne“, fragte Onkel Herluf, „weißt du noch, was du damals aus Vestraat an mich schriebst? Ein bißchen weiß ich es noch auswendig. Du schriebst: Jetzt mache ich diese Ausbildung durch! Sollte Jess nicht Geld genug zusammenkomponieren oder nicht ums tägliche Brot spielen oder dirigieren können, dann habe ich jedenfalls immer etwas, worauf ich zurückgreifen kann! Jess und ich wollen heiraten, Jess und ich werden eins - und da ist es doch wohl ganz schnurz, wer von uns beiden diese prächtige handelswirtschaftliche Ausbildung hat!“ Anne lächelte.
„Du hast ein gutes Gedächtnis, Onkel Herluf. Nun ja - habe ich nicht recht behalten?“
„Doch, Annelein. Aber deshalb muß ich ja doch sagen, ich hoffe und glaube, daß mein verwöhnter Herr Sohn sehr bald so weit kommt, daß er Frau und auch Kind ernähren kann!“
„Klar, daß er das kann! Aber ich werde mich selbst und meine Handelsausbildung immer als die wirtschaftliche Reserve in unserer Ehe ansehen - und du mußt doch zugeben, Onkel Herluf, daß es für einen Künstler gut ist, eine wirtschaftliche Reserve im Hintergrund zu haben!“
„Und dann noch dazu so eine Reserve!“ meinte Onkel Herluf. Weihnachten kam, und Anne genoß die freien Tage. Am Heiligabend übernahm sie still und selbstverständlich Jess’ von alters her überliefertes Amt, den Teetisch zu decken und den Weihnachtsbaum anzustecken. Und als sie hinterher beieinander saßen und Weihnachtslieder im Radio hörten, summte sie mit; und dann sagte sie leise:
„Das erste Weihnachten im fremden Land.“
„Ja, denk mal, Anne. Es ist das erste Mal, daß du Weihnachten außerhalb Norwegens feierst!“
„Ja. Und es ist das erste Mal, daß ihr Weihnachten ohne Jess feiert.“
„Das ist es, ja. Aber weißt du.“ Eva war es, die das sagte, „wenn wir dich bei uns haben, dann ist es gleichsam, als hätten wir ein Stück von Jess da.“
„Und was soll ich dann erst
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