Anne Gracie
reinste Irrsinn“, beharrte Ethan. „Die beiden werden sich noch
ihr verdammtes Genick brechen.“
Harry kniff
die Augen zusammen. „Hat Rafe einen neuen Zweispänner, Ethan? Er sieht sehr
gut aus, findest du nicht?“
Ethan warf
ihm einen Blick zu. „Du bist genauso verrückt.“
Harry
grinste. Es war nicht das erste Mal, dass man ihn für verrückt hielt, ihn und
die anderen. Er, Gabriel, Luke, Rafe und ihr Freund Michael waren anfangs die Dukes
Angels genannt worden, die Engel des Dukes, wegen ihrer Vornamen und weil
sie als Kuriere für Wellington gearbeitet hatten.
Nach
Michaels Tod waren sie in die „Teufelsreiter“ umbenannt worden;
vielleicht, weil Wellington ihnen immer aufgetragen hatte, „so schnell zu
reiten wie der Teufel“ ; vielleicht aber auch, weil ihre Bereitschaft,
Risiken einzugehen, nach dem Verlust von Michael noch größer geworden war. Zu
jener Zeit war es ihnen allen wirklich ziemlich gleichgültig gewesen, ob sie
am Leben blieben oder nicht.
Die beiden
Zweispänner rasten jetzt Kopf an Kopf auf das Haus zu.
„Heilige
Muttergottes, der Verrückte wird sie noch die Treppe zum Eingang
hochjagen!“, keuchte Ethan und sprang zur Seite. Jackson brachte sich
ebenfalls fluchend in Sicherheit. Harry verschränkte die Arme vor der Brust
und blieb abwartend stehen. Dieses ganz besondere Manöver kannte er bereits.
Wie
erwartet zog Luke im letzten Moment die Zügel an, und die Pferde kamen nur wenige
Zentimeter vor der untersten Treppenstufe schnaubend und schweißnass zum
Stehen. Das zweite Gefährt hielt drei Sekunden später neben ihm an.
Plötzlich
herrschte Stille, unterbrochen nur vom Stampfen und Schnauben der Pferde. Ein
paar Stallburschen, die das Rennen verfolgt hatten, eilten herbei, um die Zügel
zu übernehmen. Die Fahrer, beide in elegant geschnittenen Reisemänteln, stiegen
gelassen von ihren Zweispännern.
Luke tat
erschrocken, als er den anderen sah. „Rafe, mein lieber Junge – da bist du ja
endlich!“ Er gähnte. „Ich dachte schon, du würdest niemals hier
ankommen.“
Rafe, einen
Meter neunzig groß, gertenschlank und elegant bis in die Fingerspitzen, zog
seine Handschuhe aus und knotete bedächtig seinen weißen Seidenschal auf. „Ich
liege ganz schlecht in der Zeit, ich weiß. Aber ich wurde unterwegs von einem
äußerst nervtötenden Kerl in einem schwarzgelben Zweispänner aufgehalten –
langsam wie eine Schnecke, sage ich dir.“ Er zog ein Monokel hervor und
sah betont überrascht auf Lukes schwarzgelbes Gefährt. „Mein Gott, ich glaube,
du warst diese Schnecke, Luke! Was für lahme Gäule hast du denn in letzter
Zeit?“
Leise
lachend ging Harry ihnen entgegen, um sie zu begrüßen. Ethan folgte ihm mit
einem breiten Grinsen und sagte: „Ich seh' schon, verrückt wie eh und je. Das
Leben in Friedenszeiten ist wohl zu langweilig für euch, wie?“
Rafe Ramsey
zog ironisch eine Augenbraue hoch. „Verrückt? Ich? Du irrst dich, mein lieber
Ethan. Mein Freund hier ist der Verrückte, ich behandele ihn nur mit Nachsicht.
Mein einziges Problem ist, dass ich schier verdurste.“ Er warf Harry einen
bedeutungsvollen Blick zu.
„Ach, in
der Tat, das darf nicht sein.“ Harry lachte. „Du armes, kraftloses
Geschöpf, komm ins Haus und ich schenke dir ein belebendes Getränk ein.“
„Wenn das
so ist – mir ist auch schon ganz flau vor Durst“, erklärte Ethan.
„Mir auch,
und ich bin schließlich der Sieger“, erinnerte Luke sie. „Ich weiß, ich
habe gerade fünfundzwanzig Pfund auf dich gesetzt und gewonnen“, sagte
Harry.
Luke sah ihn
entsetzt an. „Nur fünfundzwanzig Pfund? Auf mich?“ Er schnaubte
verächtlich. „Wenigstens Rafe war ich fünfzig wert.“
Rafe
blickte Harry vorwurfsvoll an. „Du hast gegen mich
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