Anne Gracie
ging.
Harry hatte
keine Zeit, an Frauen zu denken. Er hatte einen Besitz, den er wieder auf
Vordermann bringen musste. Und wenn er dann doch einmal Zeit hatte, würde er
einen Abstecher nach Bath machen, wo Tante Maude bestimmt eine passende Frau
für ihn gefunden hatte. Alles gar kein Problem.
In den
nächsten beiden
Tagen versuchten Harry und Ethan, so viele Außenarbeiten wie möglich zu
erledigen, ehe der erste Schnee fiel. Sie reparierten Zäune, richteten
Außengebäude her und ersetzten zerbrochene Dachschindeln. Eine Truppe
einheimischer Frauen und Männer schrubbte und entrümpelte das Haupthaus innen
vom Dachboden bis zum Keller, bis es blitzsauber und aufgeräumt war.
Harry und
Ethan schufteten wie besessen; sie erteilten Befehle, als ob sie wieder in der
Armee wären. Die Arbeiter merkten bald, dass sie sich keine Schlampereien oder
Fehler leisten konnten. Harry und Ethan waren streng, aber das nahm ihnen
niemand übel, zumal sie selbst am härtesten arbeiteten. Durch den Ernteausfall
im vergangenen Jahr und das Schließen des großen Hauses hatten die meisten der
Leute einem sehr kargen Weihnachtsfest entgegengesehen, und vermutlich sogar
einer Hungersnot.
Doch jetzt,
da am Ende jeder Woche bares Geld in ihren Taschen klimperte, schöpften sie
wieder Hoffnung und stürzten sich mit neuem Schwung in die harte, aber
befriedigende Arbeit.
Am Ende der
dritten Woche empfing Harry seine ersten Besucher. Er hatte keine Ahnung gehabt,
dass sie kommen würden. Er stand gerade mit Ethan und Jackson, dem
Stallmeister, vor dem Haus, wo sie darüber diskutierten, ob die aufziehenden
dunklen Wolken wohl den ersten Schnee bringen würden. Plötzlich schossen zwei
schnittige Zweispänner durch das Haupttor. Sie wurden kein bisschen langsamer,
während sie die enge Tordurchfahrt passierten, einer dicht gefolgt vom
anderen.
Kaum lag
das Tor hinter ihnen, da scherte der zweite Zweispänner aus, ein schwarzgelbes
Gefährt, gezogen von zwei Braunen, und versuchte, den anderen zu überholen. Im
Wettstreit um den ersten Platz fuhren sie in so halsbrecherischem Tempo, dass
der frisch geharkte Kies der Auffahrt nur so wegstob.
„Allmächtiger!“,
rief Ethan aus. „Er kommt niemals an ihm vorbei! Er wird umkippen und ...“
„Ich wette
mit dir um fünfundzwanzig Pfund, dass er gewinnt“, gab Harry zurück.
„Abgemacht.“
Gespannt beobachtete Ethan, wie die Braunen sich ins Zeug legten und der eine
Zweispänner so dicht neben den anderen fuhr, dass die Räder sich fast
berührten. Das hochrädrige, gut gefederte Gefährt schwankte bedenklich, doch
der Fahrer lachte nur und trieb die Braunen noch stärker an. „Er ist
verrückt.“
„Das ist
Luke“, sagte Harry. „Du weißt doch, ihm ist es gleichgültig, ob er lebt
oder stirbt. Und Rafe kennt alle seine Tricks. Die beiden liefern sich seit
Jahren Wettrennen.“
Rafe Ramsey
und Luke Ripton waren nach seinem Bruder Gabriel seine engsten Freunde. Sie
waren zusammen zur Schule und zur Armee gegangen und hatten es irgendwie
geschafft, gemeinsam acht Jahre Krieg zu überleben.
„Sie sind
beide verrückt“, erklärte Ethan.
„Herrlich,
einfach herrlich“, murmelte Jackson andächtig. „Was für wunderschöne
Bewegungen. Derart schöne Vollblüter habe ich nicht mehr auf der Auffahrt von
Firmin Court gesehen seit damals, als Miss Nells Mama noch am Leben war. Dieser
Anblick wärmt wirklich mein altes Herz.“
„Die beiden
Braunen sind besonders schön, nicht wahr?“, stimmte Harry zu. „Obwohl ich
glaube, die beiden Rappen sind ihnen im Durchhaltevermögen noch
überlegen.“
„Ja, sie
haben eine äußerst breite Brust und kräftige Beine“, meinte Jackson.
„Trotzdem,
es ist der
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