Anne Gracie
da ich jetzt gesehen habe, wie gut Sie spielen, kann ich nicht
widerstehen. Für jede Unterrichtsstunde verlange ich eine Partie Schach.“
Ethan
schmunzelte bedächtig. „Nun, in dem Fall schulden Sie mir eine
Unterrichtsstunde.“ Er zog das Blatt Papier aus seiner Brusttasche.
„Würden Sie mir wohl zeigen, welche Fehler ich hier gemacht habe?“
Der Vikar
setzte sich einen Kneifer auf und überflog rasch das Geschriebene, dann warf er
Ethan einen fragenden Blick zu. „Ein Brief an eine Dame?“
Ethan
merkte, dass seine Wangen zu glühen begannen. „Ja, Sir. An die Dame, die mir
die Buchstaben überhaupt erst beigebracht hat.“
Der alte
Mann lächelte. „Und Sie möchten, dass sie stolz auf ihren Schüler ist.
Ausgezeichnet.“ Er las weiter und hielt inne. „Ist sie eine ältere
Dame?“
„Nein,
Sir.“
Die Augen
des Vikars funkelten. „Und ist sie hübsch?“
„Sie selbst
würde das verneinen, aber sie hat sich noch nie selbst gesehen, wenn sie einem
Mann in die Augen blickt und ihn anlächelt. Sie hat ihre ganz eigene Schönheit
und ist loyal und liebevoll.“ Trotzig fügte er hinzu: „Sie ist eine Dame
aus gutem Haus und von höherem Stand als ich, dennoch mache ich ihr den
Hof.“ Ethan wusste, die Leute würden das missbilligen, aber das war ihm
gleichgültig.
Der Vikar
zog die schlohweißen Brauen hoch und betrachtete die Adresse auf der Rückseite
des Blattes. „Das Königreich Zindaria? Das ist sehr weit weg. Darf ein alter
Mann erfahren, wie Sie diese Dame aus dem Ausland kennengelernt haben?“
„Sie stammt
aus England, genau wie Sie, Sir. Sie war die Gouvernante der Prinzessin von
Zindaria, die ebenfalls Engländerin ist. Ich habe Tibby – das heißt Miss
Tibthorpe – in Dorset kennengelernt, wo sie ein reizendes kleines Häuschen
besaß. Es brannte ohne ihr Verschulden ab und sie verlor alles, was sie hatte.
Sie ist nur ein zartes, kleines Geschöpf, hat aber so viel Mut ...“ Ethan
verstummte, weil er merkte, dass seine Stimme ihm nicht mehr recht gehorchte.
Lange Zeit
hörte man nur das Knistern der Flammen im Kamin. Schließlich brach der Vikar
das Schweigen. „Mr Delaney, Sie haben einen alten Mann daran erinnert, wie es
ist, jung und verliebt zu sein. Es wäre mir eine Ehre und ein Vergnügen, Ihnen
dabei zu helfen, Briefe an diese nette junge Frau zu schreiben.“ Er zog
ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich. „So, und jetzt räumen Sie das
Schachbrett weg und holen mir meine Schreibutensilien. Wir wollen gleich mit
diesem Brief hier anfangen.“
Harry ritt auf Sabre über die Hügel, die
Bath umgaben. Sobald die offenen Felder vor ihm lagen, ließ er seinem Pferd
freien Lauf. Sabre preschte los, genauso erpicht darauf, sich körperlich zu verausgaben
wie sein Herr.
Harry
beugte sich tief über den Pferdehals und trieb Sabre zu immer schnellerem Tempo
an. Die Geschwindigkeit und das Gefühl, mit diesem großen, kraftvollen Tier
eins zu sein, berauschten ihn. Hier oben war er frei von den kleinkarierten
Regeln der Gesellschaft. Hier oben, während er über die Felder flog, konnte er
denken.
Kalte,
saubere Luft erfrischte seine Haut und drang tief in seine Lungen, sie ließ
seine Augen tränen und sein Herz jubeln. Erst auf einem Pferd fühlte er sich
richtig lebendig. Immer weiter ritt er und nahm nichts anderes um sich herum
wahr als das Donnern von Sabres Hufen auf dem feuchten Acker.
Als er die
erste überschüssige Energie abgebaut hatte, verlangsamte er das Tempo zu einem
leichten Galopp über den Rücken des Hügels. Er sah auf die Stadt unten im Tal.
Warum wollten Menschen nur so leben, in endlosen Reihen zusammengepferchter 1
läuser mit Blick auf weitere endlose Reihen zusammengepferchter Häuser?
Die meisten davon waren mit der Rückseite zu den Hügeln
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