Anne Gracie
goldblonden
Locken und großen, unschuldigen blauen Augen ...
Sie hatte
ihn während eines Balls erobert, in einem kleinen Vorzimmer. Sie hatte die Tür
abgeschlossen und ihn anschließend auf einem Sofa verführt. Geblendet von ihrer
Schönheit und überwältigt von Lust und Liebe hatte er nicht eine Sekunde daran
gedacht, ihr zu
widerstehen. Sie hatten sich zweimal geliebt, erst auf dem Sofa, dann auf dem
Fußboden.
Töricht und
naiv, wie er gewesen war, hatte er geglaubt, es wäre auch für sie das erste Mal
gewesen.
Am Morgen
nach dem Ball hatte er ihr einen Heiratsantrag gemacht.
Sie hatte
nur gelacht und ihm gesagt, er solle nicht albern sein. Und dann hatte sie ihn
erneut verführt, dieses Mal in ihrer Kutsche.
Nach zwei
Wochen war er zu dem Schluss gekommen – jung und dumm, wie er war –, dass er
sie ausnutzte und das einzig Ehrenhafte
tun musste. Er hatte ihrem Vater, dem Earl of Quenborough, seine Aufwartung
gemacht, in seinem besten Anzug und mit einem so engen Hemdkragen, dass er das
Gefühl gehabt hatte, ersticken zu müssen. Er war so nervös gewesen ...
Und das zu
Recht, wenn auch nicht aus den Gründen, die er sich vorgestellt hatte.
Er war
damit herausgeplatzt, dass er Lady Anthea liebte und sie ihn wohl auch und dass
sie heiraten wollten.
„Tatsächlich“,
hatte der Earl frostig erwidert. „Nun, wir wollen sehen, was meine Tochter
dazu zu sagen hat.“ Er hatte nach seiner
Tochter und seinen beiden Söhnen schicken lassen. Wie eine Ewigkeit war Harry
das Warten vorgekommen, unter dem kalten, stolzen Blick des Earls, der ihn
angesehen hatte wie ein lästiges Insekt.
Schließlich
war Anthea erschienen, in einem weißen Kleid und mit einem blauen Band in ihren
goldblonden Locken. Nie war sie Harry schöner erschienen.
„Ja,
Papa?“, hatte sie gesagt, unschuldsvoll wie ein Lamm.
„Dieser
verkrüppelte Bastard hat um deine Hand angehalten“, verkündete der Earl.
„Er sagt, du willst ihn ebenfalls.“
Sie hatte
ihre feinen goldenen Augenbrauen hochgezogen. „Ich soll Harry Morant heiraten?
Wer hat dich denn auf diese absurde Idee gebracht?“
Quenborough
nickte in seine Richtung. „Er da.“
Sie sah
Harry nicht einmal an, stattdessen zog sie ihren Schmollmund, den Harry einmal
bezaubernd gefunden hatte. „Das kommt davon, wenn man freundlich ist. Man lässt
ein oder zwei Tänze aus wegen eines Krüppels und schon glaubt er, man wäre in
ihn verliebt.“
Harry war
vollkommen erstarrt vor Schock. Es stimmte, dass er kein guter Tänzer war.
Seines geschwächten Beins wegen kam er sich auf
der Tanzfläche unbeholfen vor, daher mied er sie, wann immer es ihm möglich
war. Aber er und Anthea hatten sich geliebt, während sie „die Tänze
ausgelassen“ hatten, wie sie es nannte. Zärtlich und voller Hingabe.
Zumindest hatte er das geglaubt.
Sie lachte.
„Liebe Güte, Papa, wenn es einmal so weit ist, suche ich mir einen Gentleman
aus, bei dem alles funktioniert – also wirklich.“
Der Earl
nickte. „Das habe ich mir schon gedacht. Du kannst gehen, mein Schatz.“
Sie hatte
den Raum verlassen, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen.
Harry
schloss die Augen, um die Erinnerung an das, was danach geschehen war,
auszublenden.
„Wir
sollten diesem anmaßenden Emporkömmling eine Lektion erteilen, Jungs“,
hatte Quenborough zu seinen Söhnen gesagt.
Mit der
Hilfe von ein paar kräftigen Lakaien hatten sie Harry halb bewusstlos
geschlagen und aus dem Raum geschleift. Sie hatten ihn in
die Stallungen gebracht, ihn unsanft ausgezogen und seinen besten Anzug dabei
ruiniert. Und dann hatten ihn Antheas Vater und ihre Brüder abwechselnd
ausgepeitscht. Gründlich.
Irgendwann
hatte Harry die Augen aufgeschlagen und Anthea in der Tür stehen
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