Anne Gracie
schmutzig
gemacht haben.“
Sie lachte.
„Er war der Mann, der damals im Wald bei Ihnen war, nicht wahr?“
„Ja, das
war Ethan.“ Ermutigt durch ihr Interesse fuhr er fort. „In der Armee war
er eigentlich gar keiner von uns; wir waren Offiziere und er Unteroffizier,
normalerweise pflegen diese Gruppen keinen Umgang miteinander. Aber er bewahrte
stets einen kühlen Kopf und wir waren noch unerfahrene junge Narren; mehr als
einmal hat er uns vor katastrophalen Fehlern bewahrt. Ich mochte Ethan von
Anfang an, und er ist ein Genie im Umgang mit Pferden. Deshalb haben wir uns
nach unserem Ausscheiden aus der Armee zusammengetan, um in die Pferdezucht
einzusteigen.“
„Sie
sagten, er ist schon älter. Hat er Familie?“
„Nein. Er
erzählt zwar, dass er jemandem den Hof macht, aber ich weiß nicht, wer das sein
könnte. Seit dem Krieg habe ich ihn nie mehr mit einer Frau gesehen. Wie schon
gesagt, er ist kein Adonis – nicht, dass das die Seňoritas oder
Mademoiselles gestört hätte –, aber die einzige Frau, mit der ich ihn in
England gesehen habe, war ...“ Er stutzte stirnrunzelnd. „Tibby? Nein, das
kann nicht sein.“
„Tibby?“, fragte sie nach.
„Miss
Tibthorpe. Sie war früher die Gouvernante meiner Schwägerin.“
„Ist sie
schon alt?“
Er
schüttelte den Kopf. „Sie ist eine spröde kleine Frau jenseits der dreißig, die
zugeknöpfteste Frau, der ich je begegnet bin ...“ Er sah Nell an und fügte
langsam hinzu: „Aber mit genug Rückgrat für zwei. Wenn ich es jetzt so recht
bedenke, haben die beiden letztes Jahr ziemlich viel Zeit miteinander
verbracht. Ich dachte erst, es wäre wegen der beiden Jungs, aber ...“
„Das
klingt, als wäre Tibby sehr nett“, sagte sie. „Und Ethan auch.“
„Ja, Tibby
ist ein feines Mädchen und Ethan ein großartiger Kerl – was der alles mit
Pferden anstellen kann ... geradezu unheimlich. Aber nein, Tibby ist in
Zindaria, sie kann es also nicht sein. Ethan hatte immer bildschöne Geliebte,
warum sollte er dann eine ältliche Jungfer heiraten, die nicht einmal besonders
gut aussieht? Außerdem hat sie überhaupt kein Geld.“
„Das
klingt, als wäre sie mir ziemlich ähnlich“, stellte Nell ruhig fest.
„Unsinn,
Sie sind sehr schön“, widersprach er geistesabwesend. „Aber Tibby und
Ethan ... Ich frage mich ...“ Tief in Gedanken versunken ging er weiter.
Nell
beobachtete ihn mit einem bittersüßen Gefühl im Herzen. Er hatte sie gerade
schön genannt, ohne nachzudenken, ohne Berechnung, ohne es überhaupt zu
bemerken ...
Niemand hatte
Nell je schön gefunden. Außer vielleicht ihre Mutter, als Nell noch ein Baby
gewesen war. Und Papa natürlich. „Ich muss jetzt wirklich gehen“, sagte
sie heiser. „Ich hoffe, Tibby und Ethan finden ihr Glück.“
Er drehte
sich mit bedauernder Miene zu ihr um. „Es tut mir leid. Ich habe Sie mit
Geschichten von Leuten gelangweilt, die Sie nicht einmal kennen. Ich sagte
Ihnen ja, ich bin nicht gut im Konversationmachen.“
„Oh doch,
es war faszinierend!“, beteuerte sie ehrlich. „Ich habe jede Minute davon
genossen.“
Ihre Blicke
trafen sich. Nell war die Erste, die den Augenkontakt wieder unterbrach.
„Ich hatte
bei Ihnen nie eine Chance, nicht wahr?“, fragte Harry ruhig.
„Nein.
Nicht so, wie die Dinge jetzt stehen. Es tut mir leid.“ Er betrachtete sie
prüfend, als wollte er eine verborgene Bedeutung in ihren Worten finden.
„Wenn wir
uns vor einem Jahr begegnet wären, dann vielleicht ...“ Sie hob
resigniert die Hände. „Aber nun muss ich wirklich gehen. Wir brechen morgen
früh auf.“
„Ich sehe
Sie jetzt also zum letzten Mal?“
Sie
zögerte. „Ja. Mrs Beasley muss noch einmal die Trinkhalle aufsuchen, um die vom
Arzt verschriebene Kur zu beenden. Das wird sie gleich als
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