Anne Gracie
Harry dankte Gott für seine
Gesundheit und sah auf seine Taschenuhr.
Sie kamen
um halb neun. Mrs Beasley schwebte in einem dunkelroten Reisekostüm aus Samt
in die Halle, auf ihrem Hut steckten genügend Blumen für ein ganzes Blumenbeet.
Nell trug wieder Braun und diesen hässlichen kleinen braunen Hut, den sie immer
aufhatte. Dieser Hut gehörte Harrys Meinung nach verboten.
Er
versteckte sich hinter der Säule, als Madame Beasley vorbeiging. Nicht, dass
sie ihn bemerkt hätte. Da sie niemand Besonderen erwartete, hatte sie auch für
alle anderen keinen Blick übrig, sondern schob herrisch jeden zur Seite, der
ihr im Weg stand.
Nell folgte
ihr mit einem schüchternen Lächeln und wechselte ab und zu ein freundliches
Wort mit den Leuten, an denen sie vorbeilief. Als sie stehen blieb, um einer
arthritischen alten Frau Platz zu machen, trat Harry hinter der Säule hervor.
Nell erstarrte, blickte zu Mrs Beasley, die nichts gemerkt hatte, und
schüttelte den Kopf. Dann eilte sie ihrer Arbeitgeberin nach.
Wie
vermutet hatte Nell nicht vor, mit ihm zu sprechen. Er wartete,
während sie Mrs Beasley beim Hinsetzen behilflich war, ihr eine Stola um die
Schultern legte und, nachdem Mrs Beasley sich lautstark darüber beschwert
hatte, dass es an diesem Platz zog, einen anderen Stuhl für sie aussuchte.
Endlich
näherte Nell sich dem Brunnen. Harry verstellte ihr den Weg. „Ich muss mit
Ihnen reden“, sagte er.
Sie drehte
sich vorsichtig zu ihrer Arbeitgeberin um, ob diese auch nichts von dem
Wortwechsel bemerkte. „Nein, wir haben uns bereits voneinander
verabschiedet.“ Sie füllte ein Glas. „Nur noch ein letztes Wort.“
Sie
schüttelte den Kopf und brachte das Glas mit dem warmen Mineralwasser zu Mrs
Beasley.
Harry
folgte ihr langsam, um ihr klarzumachen, dass er nicht so einfach fortgehen
würde. Er würde mit ihr sprechen. Er verschränkte die Arme vor der Brust und
wartete.
Es dauerte
nicht lange, bis Mrs Beasley auf ihn aufmerksam wurde. Sie ließ den Blick über
seinen Körper schweifen, sah Nell an und dann wieder Harry, um herauszufinden,
wen er beobachtete.
Harry
nickte ihr höflich zu, bewegte sich aber nicht von der Stelle. Die Frau
lächelte selbstzufrieden, berührte einen anderen großen Edelstein im Ausschnitt
über ihrem üppigen Busen und warf Harry einen Blick zu, der bedeutete, er möge
sich zu ihr gesellen.
Harry blieb
einfach stehen.
Nell sah
zur Seite.
Mrs Beasley
winkte sie zu sich herab und sagte ihr etwas, das er nicht hören konnte. Nell
schüttelte den Kopf und schien nicht damit einverstanden zu sein.
Harry
unterdrückte ein Schmunzeln. Er wusste ganz genau, was da vor sich ging.
Mit
rebellischer Miene kam Nell auf ihn zu. „Mrs Beasley wünscht, dass ich Ihnen
die Einladung überbringe, ihr Gesellschaft zu leisten“, erklärte sie
ausdruckslos. Eine Spur temperamentvoller fügte sie hinzu: „Und ich möchte
Ihnen meinen ausdrücklichen Wunsch überbringen, dass Sie weggehen!“
Harry zog
seine Taschenuhr hervor und warf einen betont langen Blick auf das
Zifferblatt. Er setzte eine bedauernde Miene auf, die Mrs Beasley hoffentlich
von ihrem Platz aus sehen konnte. „Sa gen Sie Ihrer Arbeitgeberin, ich bin
untröstlich, sie enttäuschen zu müssen, aber ich habe gleich eine
Verabredung.“ Lächelnd fügte er hinzu: „Mit Ihnen in der kleinen
Abstellkammer in zwei Minuten.“
„Nein, ich werde nicht ...“
„Andernfalls
werde ich mich jetzt zu Ihnen beiden gesellen und Ihnen ganz genau berichten,
was mir durch den Kopf geht.“ Ihre Augen wurden schmal. „Das ist
Erpressung.“
„Ja,
schrecklich, nicht wahr?“, stimmte er zu. „Aber höchst wirkungsvoll.“
Sie
zögerte, als sie die Entschlossenheit in
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