Anne Gracie
Erstes morgen tun,
damit wir früh auf die Reise gehen können.“
Er nickte
stumm. Ihm blieb noch ein Tag. Weniger ...
„Es war mir
eine Ehre, Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, Mr Morant.“ Ihre Stimme
bebte kaum merklich, als Nell ihm über die Mauer hinweg die Hand reichte.
Ihre Blicke
verfingen sich wieder ineinander. Harry drehte ihre Hand um und küsste ihre
Handfläche. Mit einer federleichten Berührung strich sie ihm über die Wange.
„Bitte
grüßen Sie alle in Firmin Court von mir, wenn Sie wieder zu Hause sind und
...“ Ihre Stimme wurde brüchig und sie fuhr heiser fort: „Passen Sie gut
auf alle auf. Und ... und auf sich selbst. Leben Sie wohl, Harry Morant.“
Sie drehte sich um und eilte den
Hügel hinunter, nach wenigen Minuten war sie schon nicht mehr zu sehen.
Harry stieg
nachdenklich auf Sabre. Alles, was er in der vergangenen Stunde über sie
erfahren hatte, bestätigte nur, was er schon seit Tagen dachte. Sie wäre die
vollkommene Ehefrau für ihn.
Nicht, weil
sie die Tochter eines Earls war. Sondern weil sie – Nell war.
7. Kapitel
In dieser Nacht hatte Harry Mühe einzuschlafen. Nell war immer noch entschlossen, nach
London zu gehen. Nicht wegen eines Mannes, so viel hatte sie gesagt, und er glaubte
ihr.
Und diese
Beasley hatte nichts gegen sie in der Hand, sie kam Nell
einfach nur „gelegen“ .
Nell ging
nur aus dem einen Grund nach London, um jemanden zu
suchen.
Er konnte
ebenfalls suchen. Er konnte auch nach London gehen. Er würde sie nicht in den
Regen hinausscheuchen, um ihm irgendetwas zu holen. Er würde dafür sorgen,
dass sie es warm, trocken und
behaglich hatte.
Er war ihr
nicht gleichgültig, dessen war er sich sicher. Fast sicher.
Ziemlich sicher.
So sicher
ein Mann sein konnte, den man zweimal zurückgewiesen
hatte.
Aber in
dieser Abstellkammer hatte sie seinen Kuss erwidert.
Da hatte
sie ihn ebenfalls begehrt.
Und er
begehrte sie mit einer Macht, die ihm fast den Atem raubte. Mehr als jede
andere Frau in seinem Leben. Warum sie so auf ihn wirkte, wusste er nicht
genau, nur dass sie es tat. Alle seine Instinkte forderten ihn dazu auf, sie
festzuhalten, nachdem er sie
jetzt wiedergefunden hatte.
Seine
Instinkte hatten ihn die Kriegsjahre überleben lassen. Er hatte
gelernt, auf sie zu hören.
Harry
versetzte der Matratze einen entschlossenen Hieb. Die Lösung war doch ganz
offensichtlich! Er würde Nell nach London bringen und ihr helfen, die Person zu
finden, nach der sie suchte. Und während sie damit beschäftigt waren, würde er
herausfinden, warum sie sagte, sie könne ihn nicht heiraten – und das Problem
beheben.
Ganz
einfach.
Sofern er
sie überreden konnte, mit ihm nach London zu fahren.
Sie war
bisher nicht besonders leicht zu überreden gewesen. Aber versuchen konnte er es
ja. Und verdammt, ja, das würde er tun.
Sie wollten
früh zur Trinkhalle gehen. Was bedeutete früh? Morgengrauen, beschloss Harry.
Nein, vor Morgengrauen, denn hell wurde es erst um acht, und er konnte sich
vorstellen, dass die Trinkhalle vorher öffnete für das gewöhnliche Volk. Und
vielleicht auch für Leute, die vorhatten, ganz früh nach London zu fahren.
Also würde
er um fünf aufstehen, sich rasieren und anziehen. Er wollte so gut wie möglich
aussehen. Schließlich kam es jetzt auf alles an.
Wie hieß es
doch so schön: Aller guten Dinge sind drei.
Die
Halle öffnete um
sechs. Harry trat ein und setzte sich neben eine Säule, um zu warten. Eine
erstaunliche Anzahl von Invaliden zog an ihm vorbei. Die vornehmeren Besucher
bevorzugten ganz offensichtlich eine spätere Uhrzeit. Er sah, wie Menschen
hereinhumpelten, getragen oder in Rollstühlen gefahren wurden. Arme Teufel. Sie
tranken das Heilwasser und gingen wieder.
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