Anne Gracie
Apfel biss, einen Blick zu, dann tätschelte
sie Nells Hand. „Ich glaube, ich werde viel Spaß haben.“
Schon bald
nach dem Essen rollten die Kutschen die Straße entlang. Es war eher ein ganzer
Tross; Harry hatte für sich und Nell eine eigene Kutsche gemietet, eine
leuchtend gelbe Postkutsche mit vier Pferden und zwei Postillionen. Lady
Gosforth und Bragge, ihre Zofe, fuhren in ihrer eigenen Reisekutsche. Ihnen
folgten noch mehrere andere Gefährte mit den Bediensteten und Bergen von
Gepäck. Den Schluss bildete ein Stallbursche zu Pferd, der Harrys Sabre neben
sich herführte.
„Warum
brauchst du eine eigene Kutsche, Harry?“, wollte seine Tante wissen. „In
meiner wäre ausreichend Platz gewesen.“
„Weil ich
mit meiner Verlobten zusammen reisen möchte“, erwiderte
er.
„Es schickt
sich nicht, wenn ihr beide allein und ohne Anstandsdame unterwegs seid“,
beharrte seine Tante.
„Unsinn,
schließlich werden wir heiraten“, sagte Harry und hob Nell in die Kutsche.
„Außerdem will ich mit ihr sprechen.“
Nell
zögerte und wäre am liebsten wieder ausgestiegen – sie wollte auf gar keinen
Fall Unfrieden zwischen ihm und seiner Tante stiften. Außerdem war sie sich nicht
ganz sicher, ob sie von ihrem Verlobten ausgefragt werden wollte, während sie
in einer Kutsche festsaß und nicht fliehen konnte.
Lady
Gosforth merkte ihr das Unbehagen an und zwinkerte ihr zu. „Fahren Sie ruhig,
meine Liebe. Ich kann einfach nicht widerstehen, meinen Neffen von Zeit zu
Zeit ein wenig aufzuziehen. Wenn er etwas Unschickliches tut, schreien Sie
einfach.“ Leise lachend ließ sie sich von Harry beim Einsteigen in ihre
eigene Kutsche helfen und die Wagenkolonne setzte sich in Bewegung.
„Endlich allein“, sagte Harry. „Da wir
nun bald heiraten werden, könnten wir jetzt eigentlich zum Du übergehen.“
„Gern.“
Sie lächelte nervös und sah dann konzentriert aus dem Fenster. „Was für ein
faszinierender Blick auf Bath, von hier aus gesehen.“
„Faszinierend.“
Er lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und beobachtete sie. Er war nicht
so dumm, etwas überstürzen zu wollen.
Sie machte
ihn auf eine Sehenswürdigkeit nach der anderen aufmerksam und ließ ihm nicht
einen Moment Zeit für eventuelle Fragen. Eine große Anzahl schöner,
interessanter, kurioser, hässlicher oder beeindruckender Gebäude wurde
ausführlich kommentiert, während die Pferde sich bergauf und bergab quälten.
Und als es schließlich keine Gebäude mehr zu sehen gab, begann sie, von der Schönheit
der Landschaft zu schwärmen.
Harry
lächelte. Von Natur aus war sie eigentlich kein Plappermäulchen, aber im
Moment produzierte sie einen Redeschwall, auf den sogar seine Tante hätte
neidisch werden können.
Doch mit
ihrer Taktik schob sie die Dinge nur hinaus. Schon bald würde ihr nichts mehr
einfallen, wofür sie sich begeistern konnte. Harry schlug die ausgestreckten
Beine übereinander. Er hatte nichts dagegen. Er konnte stundenlang ihr Gesicht
betrachten und ihrer melodiösen Stimme zuhören, ohne sich auch nur einmal zu
langweilen.
Sie fuhren
durch Bath-Easton, dann durch das Dorf Box, das sie sehr hübsch fand, genau wie
die Landschaft zwischen den Orten. Er vermutete, dass sie noch bis Chippenham
weiterreden konnte, allerdings hatte sich inzwischen ein leicht verzweifelter
Unterton in ihre Stimme eingeschlichen.
Er
beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Er beugte sich vor und
küsste sie mitten im Satz auf den Mund, fordernd und besitzergreifend.
Nell
blinzelte ihn an, als er seinen Sitzplatz wieder eingenommen hatte. „W...was
war das denn?“
„Ich musste
dich irgendwie daran hindern und mir fiel keine bessere
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